So was von lässig

Die melodramatischen Trash-Bohemiens The Flaming Stars zum ersten Mal in Hamburg  ■ Von Felix Bayer

Es war in Köln, im Spätsommer des Jahres 1997. Nur wenige hatten sich abseits des großen Popkomm-Trubels im Kellerclub MTC eingefunden, um zwei englische Bands zu sehen: Gold Blade und Flaming Stars. Gold Blade kannte ich dem Namen nach: Das Soul-Punk-Projekt vom Musikjournalisten und früheren Membranes-Sänger John Robb. Der Wirt des Heinz Karmers Tanzcafés hatte von ihnen geschwärmt. Aber die Band, die wie fürs Karmers erfunden schien, waren die Flaming Stars.

Fünf Männer in Anzügen, die sie trugen mit der Verachtung von Menschen, die nicht viel mehr im Leben haben als eben diese Anzüge. Und Lieder: Verdammt, was für Lieder! Die da auf der Bühne waren eine Gang; sie tranken aus der gleichen Spirituosenflasche, sie teilten gemeinsame Gefühle, sie zeigten es diesen Krauts mal so richtig. Und sie waren dabei sowas von lässig. Für die grimmige Glamour-Kopfgeburt von Gold Blade inte-ressierte sich danach niemand mehr; mir gefällt der Gedanke, dass dieser Abend ihre Karriere beendet haben könnte.

Ins Karmers haben es die Fla-ming Stars nie geschafft, wie sie überhaupt noch nie in Hamburg gespielt haben. Und als sie im Januar als Vorprogramm des alten Krötengesichts Nikki Sudden spielen sollten, hatte ich schon etwas Mitleid mit dem tapferen Nikki. Denn die Flaming Stars haben alles zugleich, was Nikki Sudden mal ausgemacht hat: Die schroffe Energie der Swell Maps, die melodische Melancholie der Jacobites, ja, sogar die Barfly-Larmoyanz von seinen ersten Soloplatten. Nicht, dass bei Nikki Sudden noch eine große Karriere abrupt beendet werden könnte, aber etwas erleichtert war ich schon, als das Konzert abgesagt wurde.

Jetzt spielen die Flaming Stars alleine; die Gang kommt in die Stadt. Bohemiens ganz alter Schule sind die Flaming Stars; ihre Heimat ist Camden Town, das Szenedorf in der Stadt London, das Mitte der Neunziger von Britpop-Touristen überlaufen wurde. Die Flaming Stars haben damals sicher gemurrt: Sie waren schon immer in Camden; der Sänger, Organist und Frühstücksliterat Max Décharné spielte einst Schlagzeug bei Gallon Drunk.

Die Britpopper sind längst weg, und die Flaming Stars singen immer noch Songs From The Bar Room Floor (so hieß das erste Album) und basteln an ihrer Privatmythologie: Auf der Hülle ihres neuesten Album sind die Musiker in einem fensterlosen Studioraum zu sehen. „Path-way“ heißt das Studio. Pathway heißt auch die Platte, denn die Fla-ming Stars finden es legendär, weil dort The Damned vor hunderten von Jahren ihr erstes Album aufnahmen.

Doch für Punkrock sind die Flaming Stars natürlich viel zu elegant: kein Bimbes, aber distinguiert! Sie erforschen alte Rockabilly- und Surf- Platten; sie bewundern Lee Hazlewood und Dean Martin. Die Flaming Stars können Nachgeborenen klar machen, wa-rum Trash irgendwann in den Achtzigern mal wirklich cool war; als Trash noch gezieltes Suchen und Auswählen von Abseitigem hieß und nicht mit der „So scheiße, dass es schon wieder gut ist“-Gleichmacherei der Neunziger zu tun hatte. Und manchmal singen sie auch unfassbar sehnsuchtsvolle Lieder, die dann „Kiss Tomorrow Goodbye“ oder „Maybe One Day“ heißen. In solchen Momenten kann es passieren, dass man für einen Moment denkt: Es kann keine bessere Band auf der Welt geben. Keine Sorge, morgen wird es vorbei sein. Aber für solche Momente geht man doch auf Konzerte, oder?

So, 13. Februar, 21 Uhr, Knust