■ Filmstarts à la carte
: Verwesende Bischöfe

■ Am 22. Februar wäre der spanische Surrealist Luis Buñuel 100 Jahre alt geworden. Ein Ereignis, dass sich natürlich auch die Kinos nicht entgehen lassen: Das Filmmuseum Potsdam und das Filmkunsthaus Babylon würdigen den Regisseur mit einem seiner bekanntesten Frühwerke, dem 1930 entstandenen „L‘âge d‘or“ (Das goldene Zeitalter). Die Geschichte einer sich über alle Konventionen hinwegsetzenden Amour fou wurde bei der Uraufführung von derart heftigen Tumulten Rechtsradikaler begleitet, dass „L‘âge d‘or“ zur „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ für die nächsten fünfzig Jahre in Frankreich verboten wurde. Mit Erfolg hatte Buñuel im Film die bürgerliche Moral und ihre Institutionen heftig provoziert: Da verprügelt ein Mitglied eines Wohltätigkeitskommitees einen Blinden, Bischöfe verrotten am Strand, und der Schluss ist eine ziemlich blasphemische Hommage an den Marquis de Sade und seine „120 Tage von Sodom“, in der ein - von einem auf Jesus-Rollen abonnierten Schauspieler dargestellter - Herzog eine Überlebende seiner wilden Orgien ermordet. Im Filmmuseum läuft im Vorprogramm der Klassiker „Der andalusische Hund“ (1928), dessen Drehbuch Buñuel gemeinsam mit Salvador Dali verfasste; das Filmkunsthaus zeigt „L‘âge d‘or“ zusammen mit dem Dokumentarfilm „Las Hurdes“ (1932), in dem Buñuel das Elend der Menschen in einem der ärmsten Landstriche Spaniens schildert. Im Lichtblick-Kino ist unterdessen eine Filmreihe mit Spätwerken Buñuels zu sehen, in denen er erfolgreich an seine surrealistischen Anfänge anknüpfte. In „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ (1972) seziert der Regisseur genüßlich eines der bevorzugten Rituale des Bürgertums: das Dinner, bei dem die Protagonisten durch allerlei bizarre Ereignisse immer wieder gestört werden. „Dieses obskure Objekt der Begierde“ (1977), eine Verfilmung von Pierre Louys Roman „La femme et le pantin“, greift hingegen noch einmal das Thema der Amour fou auf: ein absurdes erotisches Spiel zwischen Verlockung und Verweigerung, in dem die weibliche Hauptrolle abwechselnd von zwei Schauspielerinnen gespielt wird.

„Das goldene Zeitalter“ + „Las Hurdes“ 13.2.-14.2. im Filmkunsthaus Babylon; „Das goldene Zeitalter“ + „Ein andalusischer Hund“ 16.2. im Filmmuseum Potsdam; „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ 10.2., 12.2.- 16.2, „Dieses obskure Objekt der Begierde“ 12.2.-16.2. im Lichtblick

■ Am gleichen Tag wie Buñuel hatte auch Giulietta Masina Geburtstag, die stets ein wenig koboldhaft wirkende Gattin und Muse von Federico Fellini. Masinas Porträt der naiven Prostituierten in „Die Nächte der Cabiria“ erinnert an die kleine Artistin Gelsomina in „La strada“: ein Mädchen auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit, das immer wieder schwer enttäuscht wird, sich aber den Lebensmut dennoch nicht nehmen lässt. Aus der gleichen Geschichte wurde in Hollywood später das Musical „Sweet Charity“, mit der nicht minder naiven Shirley MacLaine in der Hauptrolle. Weniger bekannt als „Cabiria“ ist Fellinis „Il bidone“, in dem Masina die zunächst noch ahnungslose Frau eines der drei Schwindler spielt, die - als Priester verkleidet - mit einem Trick armen Menschen das Geld aus der Tasche ziehen. Im Gegensatz zu Fellinis späteren - oftmals autobiographisch gefärbten - Extravaganzen, steht das von der Lebensbeichte eines echten Gauners inspirierte Melodram noch ganz in der Tradition des Realismus, dessen italienische Variante Fellini nach dem zweiten Weltkrieg maßgeblich mitinitierte.

„Die Nächte der Cabiria“ 15.2.-16.2., „Il bidone“ 10.2.-11.2. im Filmkunsthaus Babylon