Nordirland behält Waffen und verliert Regierung

Weil die IRA Abrüstung ablehnt, will Großbritannien morgen die Selbstverwaltung der Provinz beenden ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Das britische Unterhaus hat am Dienstagabend mit deutlicher Mehrheit die Auflösung der Autonomieinstitutionen für Nordirland beschlossen. Künftig soll die Krisenprovinz wieder direkt von London aus regiert werden, das 1998 gewählte Regionalparlament und die im November 1999 gebildete Regionalregierung verschwinden. Das Gesetz wird morgen kurz vor Mitternacht in Kraft treten. Bis dahin gehen die Versuche weiter, doch noch eine Lösung in der Frage zu finden, was mit den geheimen Waffenlagern der IRA (Irisch-Republikanische Armee) geschehen soll.

Die protestantische und für den Verbleib Nordirlands bei Großbritanniens eintretende Ulster Unionist Party, Nordirlands stärkste Partei, hatte ein Ultimatum gesetzt: Falls die IRA bis dahin nicht mit der Abrüstung begonnen habe, werde der nordirische Premierminister David Trimble am Samstag zurücktreten. An diesem Tag muss er sich dem Rat seiner Partei stellen, den er im November nur mit Mühe dazu gebracht hatte, einer Regierungsbildung unter Beteiligung der IRA-Partei Sinn Féin ohne vorherige IRA-Waffenabgabe zuzustimmen.

Die britische Regierung will der IRA nun den Vorschlag unterbreiten, die Ausmusterung ihrer Waffen mit dem Abbau der britischen Truppenpräsenz in Nordirland zu verknüpfen. London bietet an, die hoch gesicherten britischen Armeeforts abzureißen und die Soldaten in die Kasernen zurückzuziehen, wenn die IRA sich im Gegenzug auf einen verbindlichen Zeitplan für die Abrüstung einlässt. Ob das allerdings ausreicht, damit Friedensnobelpreisträger Trimble übermorgen vor dem Rat seiner Partei bestehen kann, ist ungewiss.

„Wenn der Krieg vorbei ist, wozu dann noch Waffen?“

Der britische Nordirlandminister Peter Mandelson wandte sich in seiner Unterhausrede direkt an die paramilitärischen Organisationen. Es sei noch nicht zu spät für eine Geste, um die Auflösung des Parlaments zu verhindern. „Wenn der Krieg vorbei ist“, fragte er, „wozu werden dann noch Waffen gebraucht?“ Nordirlands stellvertretender Premierminister Seamus Mallon von den katholischen Sozialdemokraten stimmte gegen die Gesetzesvorlage zur Wiedereinführung der Direktherrschaft: „Es gibt in dieser Sache keine weiche Landung“, sagte er. „Indem wir die Institutionen einfrieren, frieren wir gleichzeitig die Hoffnungen auf eine Lösung des Konflikts ein.“ David Trimble widersprach ihm: „Wir stecken in Schwierigkeiten, aber man sollte das nicht als Krise und als Ende der Hoffnungen sehen, die durch das Friedensabkommen aufgekeimt sind, sondern als Problem, das wir lösen werden.“ Andrew Mackay, Nordirlandsprecher der Konservativen, sprach von einem „sehr traurigen Tag für die Menschen in Nordirland“. Falls das Regionalparlament aufgelöst würde, fügte er hinzu, könne es erst wieder eingesetzt werden, wenn die IRA mit der Abrüstung begonnen habe.

Die Aussichten dafür sind gering. Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams deutete an, dass er in naher Zukunft zurücktreten werde, sollte das Regionalparlament morgen tatsächlich aufgelöst werden. „Wir haben unsere Verpflichtungen erfüllt“, sagte er. „Meine künftige Teilnahme an den Versuchen, eine Lösung zu finden, basiert darauf, dass diese Lösung definitiv und endgültig ist. Ich habe nicht vor, den Rest meines Lebens damit zu verbringen, einen Friedensprozess zu stützen, der sich in einer permanenten Krise befindet. Kein Prozess kann ewig von einer Krise in die nächste stolpern.“