Auch Geldsegen schafft Zwist

Die Parteien streiten über die Verwendung des außergewöhnlichen Haushaltsüberschusses von mindestens 30 Milliarden Franc. Erhöhung der Sozialhilfe? ■ Von Dorothea Hahn

Paris (taz) – Die Spekulationen über den Schatz im Finanzministerium hatten Paris wochenlang in Atem gehalten. Linke wie rechte Politiker überboten sich gegenseitig mit angeblich gesicherten und stets milliardenschweren Angaben über den „Überschuss“ in der Staatskasse. Am Mittwochabend legte Finanzminister Christian Sautter schließlich sein Geständnis vor der Nationalversammlung ab: Der französische Fiskus hat im vergangenen Jahr 30,7 Milliarden Francs (etwa 9,15 Milliarden Mark) mehr eingenommen als ursprünglich geplant.

Damit verkündete Sautter eine Nachricht, die positiver ist als alles, was in den vorausgegangenen zwei Jahrzehnten aus seinem Ministerium verlautete. Hauptgrund für den Geldsegen ist das Anwachsen der Unternehmenssteuern um 30 Milliarden Franc, was wiederum ein direktes Ergebnis des französischen Wirtschaftswachstums (2,7 Prozent 1999 und erwartete über drei Prozent 2000) ist. Aber dank des gewachsenen Konsums der Franzosen nahmen auch die Mehrwertsteuereinnahmen unerwartet stark zu.

Doch statt in Jubel brachen die gewählten Vertreter der Franzosen bei Bekanntwerden der Zahl zugleich in lautes Gemecker aus. Die Rechten warfen der rot-rosa-grünen Regierung „Lügnerei“, „Mauschelei“ und „Pfuscherei“ vor. Tatsächlich lägen die Mehreinnahmen des Finanziministeriums bei satten 13 Milliarden Franc mehr. Die hohe Differenz rührt unter anderem von einer anderen Berechnungsmethode, die auch die hohen Einsparungen des Finanzministeriums bei Sozialausgaben berücksichtigt. Die Linken schimpften über „mangelnde Transparenz“. Sautter habe seinen Schatz viel zu lange hinter den festungsartigen Mauern des Finanzmisteriums im Pariser Stadtteil Bercy geheimgehalten. Damit habe er den Parlamentariern die Möglichkeit genommen, die positiven Ergebnisse in ihre Planung einzubeziehen.

Tatsächlich hat Sautter seinen Schatz längst verplant. Er benutzte ihn, um die französische Staatsverschuldung auf 206 Milliarden Francs (ca. 61 Milliarden DM) zu senken. Ursprünglich waren dafür im vergangenen Jahr 237 Milliarden Francs vorgesehen. Damit zeigt Frankreich gegenüber den Vorgaben der EU-Kommission vorauseilenden Gehorsam.

Was die weitere Verwendung der auf für dieses Jahr zu erwartenden Mehreinnahmen betrifft, gehen die Vorstellungen der Parlamentarier weit auseinander. Während die rot-rosa-grüne Regierung vor allem eine „soziale“ Steuersenkung vorschlägt, womit eine Verringerung der hohen und einkommensunabhängigen Wohnungssteuern gemeint ist, wollen die Rechten vor allem die Vermögenssteuern senken. Doch auch innerhalb der Regierungsparteien herrscht keinesfalls Einigkeit. Im Gegensatz zu den Sozialisten wollen die kleinen Koalitionspartner Grüne und Kommunisten ganz gezielt die Millionen Franzosen unterstützen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Ihre Sprecher schlagen vor, die Sozialhilfe zu erhöhen.