Weitermachen in Ruinen, so dem Abstieg zugewandt

Trotzig hält die Hessen-FDP unter Führung von Ruth Wagner an der Koalition mit dem dreisten Lügner Roland Koch (CDU) fest. Der Rücktrittsresistente ist „froh und dankbar“

„Wir verbitten uns jede Einmischung von der Bundesebene“, echauffierte sich gestern Ruth Wagner (59), Wissenschaftsministerin in Hessen und Landesvorsitzende der FDP. Das Präsidium der Bundes-FDP hatte sich da gerade – angeblich geschlossen – dafür ausgesprochen, in Wiesbaden die Koalition mit der CDU zu beenden. Kein Beschluss zwar, aber doch ein eindeutiges Votum. Auf einer Pressekonferenz am Abend in Berlin bekräftige FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle dieses Votum: „Es geht um die Glaubwürdigkeit der Politik.“

Ruth Wagner ist eine resolute Frau mit kurzen Armen zwar, aber spitzen Ellenbogen, die fest entschlossen ist, um ihren Platz am Kabinettstisch von Roland Koch (CDU) zu kämpfen. Sie sieht keinen hinreichenden Grund, der einen Bruch der Koalition rechtfertigen würde. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) habe zwar „einen kapitalen Fehler begangen“, aber das Parlament nicht belogen. Freispruch für Koch. Dem Mann daraus einen Strick zu drehen, dass er es „unterlassen“ habe, im Zusammenhang mit dem letzten fingierten Kredit des Prinzen Wittgenstein für die hessische Union die Wahrheit zu sagen, sei unzulässig. Schließlich sei es doch gerade Koch gewesen, der die Finanzaffäre der CDU in Hessen „zu 95 Prozent“ aufgeklärt habe.

Wagner kämpft also. Doch inzwischen ganz offenbar auf einsamem Posten, nur gedeckt von Dieter Posch (FDP), dem Wirtschaftsminister des Landes, und der kleinen Landtagsfraktion der Partei um deren Chef Jörg Uwe Hahn.

Wagner kämpft verbissen um ihren Ministerposten

Denn gestern zum Frühstück bei Parteichef Wolfgang Gerhardt in dessen Privathaus in Wiesbaden war Ruth Wagner nicht eingeladen worden. Gerhardt konferierte bei Hörnchen und Kaffee mit seinem Stellvertreter Rainer Brüderle, auch stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.

Die anschließende Stellungnahme der beiden Spitzenpolitiker der Partei schmeckte Wagner garantiert nicht. „Vorschnell“ habe sich die hessische FDP auf einen Verbleib in der Koalition festgelegt; umso schneller müsse jetzt die Partei in ihrer Gesamtheit entscheiden, ob sie den Hessen vielleicht nicht doch lieber den „Ausstieg“ empfehlen soll. Auch in Hessen selbst scheint die Front zu bröckeln. Die osthessische FDP will raus aus dem verhängnisvollen Bündnis mit Roland Koch.

Doch an der kleinen Basis der Partei in Hessen, die nur noch in wenigen Kommunen und Landkreisen Mandatsträger stellt, rumort es. „Warum schuldlos mit der CDU untergehen?“ Das fragen sich Parteimitglieder etwa in Frankfurt, die davon überzeugt sind, dass die FDP aus Neuwahlen gestärkt hervorgehen würde. Aber die schönen zwei Ministerposten? Die wären wohl „futsch“.

In der Vorwärtsverteidigung übte sich gestern schon einmal Dirk Metz von der CDU, Sprecher der Landesregierung. „Felsenfest“ stehe die Koalition zusammen, behauptete Metz. So „felsenfest“ wie alle sechs Landtagsabgeordneten der FDP hinter dem Kurs von Ruth Wagner stehen sollen. Das jedenfalls sagte gestern die Sprecherin der Fraktion, Ulrike Franz-Stöcker, auf Nachfrage der taz. Fraktionschef Hahn hatte sich schon am Dienstag festgelegt: „Dass der Landesvorsitzende der CDU, Roland Koch, in der Rückschau eine eigene Aussage korrigierte, ist richtig und wichtig.“ Mehr hatte Hahn zunächst nicht zu sagen. Dann schob er nach: „Handwerklich ungeschickt“ sei Koch bei der Offenbarung vorgegangen. Die FDP in Hessen, stellte danach der SPD-Fraktionsvorsitzende Armin Clauss fest, müsse schwer aufpassen, dass sie von ihrem Koalitionspartner nicht mit in den Spendensumpf hineingezogen werde.

Wie lange hält Wagner durch? Der Druck aus der Bundespartei auf die Hessen, die Koalitionsentscheidung vom April 1999 zu korrigieren, wird stündlich größer. Am kommenden Samstag tagt der Landesvorstand der FDP. „Autonom“ sei die Landespartei, referierte Wagner gestern gebetsmühlenartig. „Autonom in ihren Entscheidungen“; auch wenn die einmal nicht mit den „Wünschen“ der Mutterpartei kongruent sein sollten. Machtkampf bei der FDP? Eindeutig.

Klaus-Peter Klingelschmitt,

Wiesbaden