■ H.G. Hollein
: 80 : 2 - x = S

Die Frau, mit der ich lebe, hat eine Freundin, die gewürdigt sein will. Weil sie Geburtstag hat. Heute. Knifflig. Zusammen mit der Gefährtin bringt es S. immerhin auf lockere achtzig. Mithin: „In voller geistiger und körperlicher Frische ...“ Aber vielleicht ist es doch eher geraten, aufs Unverbindlich-anekdotische auszuweichen. Also, es war einmal ein Land in Westafrika. Das galt lange Zeit als ein Hort der Stabilität in dieser Region. Bis vor zwei Jahren S. in diesem Land vier Wochen Urlaub machte. Danach hörte man nur noch von inter-ethnischen Unruhen und sozialen Verwerfungen. Als S. im vergangen Dezember ihren erneuten Besuch ankündigte, zog das Militär die Notbremse, übernahm die Macht und sperrte den Flughafen. S. kam trotzdem rein. So ist S. eben. Eine patente Person. Immer mit leichtem Gepäck unterwegs. Als ich sie vor der Abreise väterlich ermahnte, ob sie auch an alles gedacht habe – ausreichend Unterhosen zum Wechseln etwa – beschied mich S. schnippisch, sie trüge in den Tropen ohnehin nie was drunter. So genau wollte ich das nun auch wieder nicht wissen. In hiesigen Breitengraden legte S. bisher schließlich ein durchaus besitzorientiertes Verhältnis zu Dessous und Lingerie an den Tag. Als ich der Gefährtin zu deren letztem Geburtstag etwas in dieser Richtung darreichte, brummte S. nur beleidigt vor sich hin: „Ich krieg immer nur Bücher!“ Das nenne ich jemanden unter Zugzwang setzen. Andererseits: Was soll dann die Gefährtin von mir denken? Vielleicht wäre ja ein körperbetonender Sportdress ein gangbarer Kompromiss. Ab einem gewissen Alter ... Andererseits will man es sich ja nicht völlig verderben. S. ist schließlich auch ohne flankierende Beigaben noch ganz ansehnlich. Was im Grunde nicht weiter verwunderlich ist. S. ist eben Wassermann. Wie ich. Wir sind nun mal per se feinsinning, sensibel und von ansprechendem Äußeren. Und das sollte als Würdigung eigentlich reichen.