Die Vorschau
: Pop und Bombennächte

■ Dirk von Petersdorff liest im Ambiente am Sonntag aus seinem Lyrikband „Bekenntnisse und Postkarten“

Stellen Sie sich vor: Bert sitzt in seinem riesigen Sessel und liest ein Buch von Ernst Jünger. Ernie schleicht, mit einem Fernglas bewaffnet, um ihn herum. Beobachtet seinen Freund. Bis der schließlich aus der Haut fährt, Ernie anschreit, er solle aufhören, ihn zu stören. Aber das sei doch was schönes, wenn man vom besten Freund beobachtet wird. Bert drückt ihm das Buch in die Hand und glotzt. Ernie (nach einiger Zeit): Das ist ja 'n tolles Buch, Bert. Danke, dass ich's lesen darf!

So ungefähr könnte ein Video zu Dirk von Petersdorffs Gedichten aussehen. Gemessen an Titeln wie „Wie es weitergeht“ oder Zeitlösung“, die noch so etwas wie rastloses Suchen andeuten mochten, klingt „Bekenntnisse und Postkarten“ fast ein wenig zu abgeklärt für einen Mittdreißiger. Der Blick aufs Alltägliche verbindet Sesamstraße und Sprachphilosophie, Fernsehen, Baudelaire und mitteleuropäische Meditationen zu einer merkwürdigen Melange.

Und es ist ein Rückblick. Kindheit und Jugend spielen eine wichtige Rolle. Nimmt man die Reisen hinzu, die den Band mit Gedichten und lyrischer Prosa beschließen, hat man alles zusammen, woraus der Autor schöpft. Das Programm wird mehr oder weniger klar umrissen: „Ich schreibe hier auf, wie es in der reichen Demokratie des Westens ist. Ich glaubte an alles, 27 reiche Jahre, ich las, hörte, sah, schmeckte und rezipierte. Aber ich nehme nicht zu.“ Na dann.

Kurze Gedichte gibt es, streng in der Form. So ganz genau weiß man zwar nicht, warum der Autor auf eher altmodisch wirkende Reime zurückgreift. Dennoch warten die Texte mit der einen oder anderen irritierenden Wendung auf. „Dort mitten auf dem Rasen, / still – er ist allein, / seht – er pustet Seifenblasen / in die Nacht hinein.“ So heißt es in „Ernst Jünger im Garten“. Bei von Petersdorff wird das Jahrhundert „ein Kind / und kennt sich kaum“. Des „größten deutschen Dichters aller Zeiten“ ein Jahrhundert währende Selbstdemontage aus der Rückschau zu betrachten. An Stelle von Wortgewittern bleibt zurück: Der lächerliche Anblick eines sabbernden Kindes. Eine Portion Babybrei fürs deutsche Gemüt, bitte sehr!

Oft setzt der Autor bei kleinen aber feinen Beobachtungen an. Alte Kleider, die zufällig gefunden werden im virtuellen Kleiderschrank der Jugend, in den seit Jahren schon nur alles reingeht und nichts raus. „Ein Pullover, für dich gestrickt, / ein Tuch, das riecht nach Protest, / der schwarze Mantel, oft geflickt, / von Jahren so ein Rest.“ Von Petersdorff gestattet sich (und uns) auch mal einen wehmütigen Blick zurück in die Zeiten, da alles irgendwie einfacher zu sein schien. Nicht die Wahrheit, dennoch eine wahre Erinnerung. Wohl wissend, dass es nicht lohnt, diese Zeiten zurückzuwünschen. „Weit weg und allein bist Du heute erwacht.“

Ein Ritt von Pop zu deutschen Bombennächten und zurück. In zwei Strophen à vier Versen. Als ob das Reimschema Halt geben soll „in der flüchtigen Zeit“, von der Petersdorff berichtet. Er beobachtet genau, verdichtet Flüchtiges, bannt es aufs Papier. Und doch fragt man sich manchmal: Was will er nun von mir.

Nettes Buch!

Tim Schomacker

Sonntag, 13. Februar, 20 Uhr, Ambiente