Ratten und Kacheln

Am Wochenende schließt das Kunst und Technik. Die Party ist vorbei, der lange Sommer an der Spree zu Ende. Jetzt zieht man um in ein ordentliches Büro ■ Von Michaela Vieser

Nie war der Sommer so schön, vor dem Kunst und Technik, am Ufer der Spree: gegenüber das Bodemuseum mit dem alten Glanz Berlins und hinter sich eine Baracke voll mit fröhlich kommunizierenden Menschen, die zwar nicht prunkvoll glänzten, dann aber doch, so fröhlich mit sich selbst.

Jetzt wird der Betonflachbau des Kunst und Technik dem Erdboden gleichgemacht, gleich nächste Woche. Zum Abschied werden keine Tränen vergossen, es wird gefeiert. „Wir waren schon immer eine Bar, die zwar total angesagt ist, aber trotzdem wie ein Insidertipp weiterempfohlen wird“, erklären die Brüder Jan und Tim den Erfolg des Kunst und Technik. „Es waren Celebrities aus der Szene da, und anders als bei vielen Bars in Berlin-Mitte hat man sich bei uns auch mit Leuten aus anderen Bezirken getroffen. Es gab keine Erwartungshaltungen, der ganze Input kam von den Gästen selbst.“

Man erinnert sich an Zeiten, vor allem im Sommer 98, wo nicht mal mehr eine Fliege zwischen die Partygäste an der Spree passte. Der Club war jeden Abend zum Bersten voll, und das wurde langweilig. Ein neues Konzept musste her. Die Bar wurde nur noch an Tagen geöffnet, deren Datum durch sechs teilbar war. Keine Mittwochs- oder Donnerstagsbar, sondern eine an Tagen-durch-sechs-teilbar-geöffnete-Bar. „Wir erschienen nie im Veranstaltungsprogramm von Berliner Szeneguides“, erklären die Brüder fast stolz: „Zu uns zu kommen war, wie an einem kleinen Ritual teilzunehmen.“

Nur die Ausstellungen wurden öffentlich angekündigt. Das Kunst und Technik war nämlich nicht nur eine Bar, das Kunst und Technik war auch ein Kommunikationsort ganz anderer Art. Alles fing 1996 an. Da gab es das Haus, diesen miesen Betonklotz an der Spree, und ein paar Leute, die ganz nach Berliner Stimmung sich in Mitte billigen Raum suchten, um dann irgendetwas damit zu tun. „Das ganze Kunst-und-Technik-Projekt begann mit der Immobilie. Hätten wir das Gebäude nicht bekommen, hätten wir nie einen Verein gegründet“, erklärt Tim.

Die Gründer erkundigten sich nach dem Eigentümer, und die Charité meldete sich. In dem Bau sei früher ein Labor gewesen, in dem Tierversuche stattfanden. Bei der Charité war man froh, es einem vernünftigen Zweck übergeben zu können. Kurz vor Abschluss des Mietvertrags stellte sich aber heraus, dass das Gebäude mittlerweile dem Grünflächenamt Mitte anvertraut worden war. Dort wusste man allerdings nichts von seinem Glück. Was aber kein Problem war: Das Gebäude war für einen Spottpreis zu mieten, und es gründete sich der Verein Kunst und Technik e. V.

Die erste Zeit verbrachten die Gründungsmitglieder ihre Zeit damit, das Gebäude bewohnbar und barfähig zu machen. Es gab in dem ehemaligen Tierlabor weder Wasser noch Strom, keine Fenster, Telefone, nur Ratten und Kacheln. Im Frühjahr 97 konnten sie dann schon ihre erste Ausstellung machen, luden Künstler aus England ein, die eine Woche lang mit Kollegen aus Deutschland in den neuen Räumen arbeiteten.

98 ging’s dann richtig los. Der Kunst-und-Technik-Verein hatte eine Arbeitsplattform aus Werkstatt, Büro und Ausstellungsfläche geschaffen. Die Dreiteilung von Öffentlichkeit, Präsentation und Produktion zeitigte Erfolg. Einmal wurde der Verein sogar überfallen. „Das war ein wenig unangenehm, nicht so richtig gefährlich. Da kam dieser Typ und wollte unser Geld. ,Ey, dich kenn ich doch‘, sagte unser Barmann, ,du wohnst doch bei mir im Haus.‘ Die Situation entschärfte sich dann“, erzählt Tim.

Bis Ende 99 kamen über zwanzig Ausstellungen zustande, verschiedene Projekte mit Universitäten und der freien Wirtschaft und eben die legendäre Bar. Bei der Ausstellung „Audio Rom“ kamen sogar über 2.500 Leute an einem Wochenende. Die Ausstellung „Multi Mind“ zeigte das Kunst und Technik in Hamburg: „Wir wussten nicht mal, ob das Ganze funktionieren würde. Wir packten unsere Computer in den Bus und hofften, dass die Maschinen dort auch das machen würden, was wir von ihnen wollten. Aber alles ging gut.“ An Vernissagen kippte das Konzept immer. Da flossen Ausstellung und Bar ineinander, wie zum Beispiel bei der Ausstellung „Tokio Techno Tourism“, die japanische Künstler zusammen mit dem Computermuseum ausgerichtet hatten. Man trank Bier, ließ virtuelle Girls tanzen und schaute sich nebenbei nach neuen Kontakten um. „Das mit den Kontakten war nicht nur für uns spannend. Wenn wir hinter der Bar arbeiteten, konnten wir richtig mitverfolgen, wie da das ein oder andere Projekt seine Wurzeln fand“, erinnert sich Jan.

Was den einen ein fröhlich Plätzchen, ist anderen ein Dorn im Auge. Der Betonbau liegt an einer Uferpromenade, an der es sich an schönen Sonnentagen lustwandeln lässt, vorbei an der Museumsinsel im alten Zentrum von Berlin. Also erhielt das Kunst und Technik im November einen Brief, dass das Gebäude zu räumen sei. Beauty lies in the eyes of the beholder.

Alle Bemühungen der Kunst-und-Technik-Betreiber, die Räumung zu verhindern, waren zwecklos. Dann kam die Suche nach einer neuen Heimat. Erfolglos. „Wir hätten nach Friedrichshain ziehen können, wo sich langsam ein neues Zentrum herauskristallisiert, mit ähnlichen Voraussetzungen wie 1996 in Mitte, mit illegalen Bars und viel Umtrieb, aber wir wollten hier bleiben.“

Das klappte. Man bekam ein neues Büro in der Leipziger Straße, allerdings ohne Atelier und ohne Werkstatt. So wird es das Kunst und Technik vorerst weiter geben, eine Wiege für neue Konzeptionen. Ohne Party.

Heute ab 22 Uhr im Monbijoupark