Was bedeutet das Tacheles seinen Künstlern?
: „Einziger Zufluchtsort in der Stadt“

Ulrike Martin, 35 Jahre, Malerin

Ich habe während den ersten zwei Jahren im Tacheles gearbeitet. Dann bin ich abgehauen, weil es mir zu stressig war. Eine Zeit lang waren nur noch Idioten hier. Ich liebe das Haus – das Chaos, das man teilweise nicht ertragen kann. Ich brauche Einsamkeit, um arbeiten zu können. Das Tacheles ist ein tolles Sprungbrett. Das Haus und die Leute, die drin arbeiten, treiben mich immer wieder her.

Kemal Cantürk, 48 Jahre, Künstler

Ich gehöre zur Gruppe der Erstbesetzer. Damals ging es uns darum, die Kunst auf die Straße zu tragen. Kunst für alle sollte es sein. Unser Material war Schrott. Ich arbeite immer noch zu 95 Prozent mit Schrott. Das Tacheles hat uns einen freien Arbeitsplatz geschaffen, der nicht nur in Berlin, sondern weltweit seinesgleichen sucht. Es ist eine autodidaktische Akademie, ein Kunstwerk in sich.

Julie Simoncelli, 29 Jahre, Malerin

Man verliebt sich sehr schnell in das Tacheles. Es ist die beste Arbeitsmöglichkeit, die es gibt. Und der einzig annehmbare Zufluchtsort in dieser Stadt. Meine Arbeit hier? Ich male. Momentan eher figurativ. Das Tacheles funktioniert wie ein Staat; mit Konflikten aller Art. Man wird dauernd damit konfrontiert, dass Stellungnahmen gefordert werden. Nach der Sanierung möchte ich wieder einziehen.

Resa Mashoodi, 30 Jahre, Maler

Die Atmosphäre ist gut, ich bin gerne hier. Ich habe hier mein Hobby, die Malerei, zum Beruf gemacht. Das Haus bedeutet für diese Stadt und die Gesellschaft sehr viel. Es ist eines der wenigen Schlupflöcher, die dieses System aus Versehen ermöglicht hat. Hier kann man autonom wirken, ohne dass man kontrolliert wird. Ich bezahle nur für Strom und Heizung. Besetzen ist ein Recht, das man sich nehmen muss.

Tomoko Fujimura, 28 Jahre, Komponistin

So was wie das Tacheles gibt es sonst vielleicht nicht. Es ist Wahnsinn: total chaotisch, total kaputt. Vor zwei Jahren bin ich jeden Tag hierher gekommen. So habe ich einen anderen Musiker kennen gelernt, der im Tacheles einen Proberaum besaß. Wir machen Rock und elektronische Musik. Manchmal machen die Menschen hier meine Arbeit kaputt, weil ich zu viel über sie nachdenken muss.

Kenan Sivrikaya, 35 Jahre, Metallkünstler

Im Tacheles herrscht eine freie Atmosphäre. Seit 92 mache ich hier, was ich will. Es ist ein multikulturelles Haus. Ich arbeite oft mit Metall. Wir teilen zu zweit ein Atelier und zahlen Miete. Anfangs waren mehr Leute hier. Es war ein bisschen chaotischer. Früher haben Künstler aus der ganzen Welt hier gearbeitet, jetzt ist die Zusammensetzung weniger international. Das Interesse der Touristen hat abgenommen.

Umfrage: Adrian Auer

Fotos: Rolf Schulten