Ein zu eigener Kopf

Fotograf wider Willen: Heute eröffnet Stefan Malzkorn in der Markthalle seine Ausstellung „Three Songs No Flash“  ■ Von Sebastian Hammelehle

Fast jeder hat ihn schon gesehen, glaubt zu wissen, wer er ist, und wenn ihn einer anruft, dann spielt er damit: Ob er die Liste holen solle, auf der alles draufsteht über ihn? Er ist: „der langmähnige Fotograf“, „der Große mit dem Zopf“, „der Schwerbepackte“, „der mit dem großen Objektiv“ – „und bei jedem Konzert steht er in der ersten Reihe“.

Später sitzt Stefan Malzkorn, 36 Jahre alt, verheiratet, Vater von zwei Töchtern, in seinem kleinen Arbeitszimmer in der Neustadt. In den Regalen 400 Ordner mit Negativen. Um drei war der Termin mit ihm vereinbart, um halb vier kam er herein, um halb fünf hörte er auf zu telefonieren, um fünf endlich hatte er dem Praktikanten erklärt, wie er die Schildchen ausschneiden solle für die Ausstellung, die am Montag beginnt. Seitdem redet er: fast anderthalb Stunden schon, erst noch nuschelnd (auch dafür ist er bekannt), dann immer klarer, immer lauter, die Hände verstärken noch, was er sagt: „Die Fotografie hat mir Struktur und Stimme gegeben!“

Die Struktur sieht so aus: Bis zu 80 Aufträge im Monat, kein Assis-tent, keine Studioleiterin, kein Buchhalter – Stefan Malzkorn arbeitet sehr viel, vor allem für die Tagespresse, für Rockblätter, nie habe er einen Job abgelehnt, erinnert sich eine Redakteurin, die mit ihm zu tun hatte, immer habe er pünktlich geliefert. Malzkorn: „Ich wollte nie Fotograf werden!“

Journalist wollte er werden: „Ich glaubte ja, ich könne schreiben!“ Er hat Geschichte studiert, abgebrochen, im Fahrradladen gejobbt, schließlich begonnen, für das Fanzine Heft Bilder zu machen bei Hardcore-Konzerten, im Juli 1991 schließlich die erste Veröffentlichung in der kommerziellen Presse: John Zorn, Morgenpost-Popseite.

Die klassische Hamburger Fotografenkarriere sieht anders aus: Assistenz bei einem möglichst großen Namen, viel Geduld, viel Ärger, viel Stress, dann irgendwann der Sprung in die Selbstständigkeit. Malzkorn: „Dafür war ich damals schon zu alt. Dafür habe ich einen zu eigenen Kopf.“ Er eigne sich nicht, untergeordnet zu arbeiten, allerhöchstens im Team, außerdem: „Die Werberszene finde ich zum Kotzen.“ Und: „Ich will nicht gebucht werden, weil eine Artdirectorin entschieden hat, dass ich einen bestimmten Stil repräsentiere, der gerade schick ist“. – „Es gibt eine gewisse Szene, in der ich mich sehr fremd fühle.“ – „Diese Hochnäsigkeit: ICH habe den-und-den-und-den schon fotografiert.“ – „Das Buch Fegefeuer der Eitelkeiten ist sehr, sehr symptomatisch.“

Die eigene Stimme also. Er habe manchmal bilderstürmerische Gedanken, erklärt Malzkorn, weil er die Bilderwelt für gefährlich halte, die Gefahr sei, dass die Redaktionen der Illusion aufsäßen, dass die Leute nur noch unterhalten werden wollten. Steuert er dagegen? „Nein.“ Aber: „Ich kann doch sagen: Ich fotografiere und habe gewisse Probleme damit.“

Heute Abend wird Stefan Malzkorns Ausstellung Three Songs No Flash eröffnet. Gezeigt werden über 120 Farbfotos, darunter viele Bilder von Stars, von Moby, von Marilyn Manson, aber auch von Love Spirit, der phillipinischen Hausband im „Bayrisch Zell“. „Eine wunderbare Geschichte. Doch als sie veröffentlicht wurde, waren nur drei briefmarkengroße Bilder im Blatt.“ Dementsprechend groß hängen sie nun im Kunstraum der Markthalle. Alle Exponate können im Internet (www.malzkornfoto.de) zugunsten der Nordoff-Robbins-Siftung für Musiktherapie ersteigert werden. Außerdem spielen auf der Markthallen-Bühne Fink, Die Sterne, Tigerbeat und andere, auch hier kommt der Gewinn der Stiftung zugute. Stefan Malzkorn sagt: „Ich wehre mich eben dagegen, nur ein blöder Bilderlieferant zu sein.“

heute, 20 Uhr, Markthalle, Eintritt mit Konzert: 18 Mark, Ausstellung bis 3. März