Holzpuppen, blumenähnlich

Wehmut gehört zum japanischen Leben: Mito Hinekis „Homesick“ und Yamamoto Kosukes „Rendez-vous“ im Forum

Es gibt diese schönen Momente auf der Berlinale, wo man abends erschöpft eigentlich im Delphi sitzt und man schaut auf die schöne Leinwand und die Filme, die da kommen, sind Freunde, die den diffusen Gefühlen, die man selber so hat, einen Körper geben wie früher bestimmte Popsongs. Sie beschreiben eher eine Grundstimmung, als dass sie eine bestimmte Geschichte erzählen würden.

„Homesick“ von Mito Hineki und „Rendez-vous“ von Yamamoto Kosuke werden nicht zu Unrecht in einem Doppelprogramm gezeigt. Beide Filme sind auf 16 mm gedreht und wurden frei von den Regisseuren, ihren Verwandten und Freunden finanziert; die Regisseure, die einander erst auf der Berlinale kennen lernten, gehören dem gleichen Jahrgang an (69); ihre Filme werden von einer ähnlichen Stimmung getragen, einer Wehmut und Unsicherheit, die angemessen nur im kleinen Format und mit wenig Geld ausgedrückt werden kann (jeder Wenders-Film dagegen ist Verrat und Hightech-Lüge!)

In „Homesick“ fährt Nakamura, ein alter Mann, allein in seine Heimatstadt auf Hokkaido. Eine karge, völlig unspektakuläre Landschaft mit ein bisschen Verfall. Er liebe trostlose Landschaften, sagte der Regisseur. Nakamura fährt immer sehr langsam; hinter seinem höflichen Lächeln liegt eine große Traurigkeit. Andere begegnen ihm: ein junges Mädchen, das von ihrem Freund weggelaufen ist; ein Mann im Anzug, der sich das Leben nehmen will; eine ältere Frau mit dicken Beinen. Man findet zueinander und trennt sich wieder. Irgendwann finden sie einen Toten. Irgendwann finden sie eine Kassette, die jemand vergraben hat, und auf der Kassette singt ein Mann ein herzzerreißendes Lied über eine „rotwangige Holzpuppe, blumenähnlich“. Die Verlassenen erzählen einander anrührende Geschichten, die immer mit dem Satz „Das ist auch nur gelogen“ enden. Der Regisseur liebt David Lynch. Wie auch in Yamamoto Kosukes „Rendez-vous“ gibt es manchmal auch sehr lustige Passagen.

„Rendez-vous“ erzählt von einer Nacht in Osaka. Ein junger Mann geht durch die wunderbar blaustichige Nacht. Er rettet ein Mädchen, das sich von einer hohen Brücke ins Wasser gestürzt hat. In einem Waschsalon trocknen sie ihre Kleider. Er war zuvor auf einer Beerdigungsfeier für seinen Freund, der sich umgebracht hat; sie hatte die Feier geschwänzt. Gemeinsam gehen sie über endlose Brücken und regennasse Straßen und erzählen einander Geschichten von ihrem toten Freund, der Nudelgerichten rote Farbstoffe beimischte. Stille, blaustichige Wehmut. Und Regisseur Yamamoto Kosuke sagt: „Persönlich fühle ich mich wurzellos und wie ein Vagabund in der Gesellschaft und kann das auch nicht so gut ausdrücken“. Detlef KuhlbrodtHeute, 14.30 Uhr; Arsenal