Wer ist ausländerfeindlich?

betr.: „Medienprofis unter sich“ u.a., taz vom 8. 2. 00

Das beschämende und wahrscheinlich symptomatische Versagen der versammelten Intellektuellen-Riege vor Jörg Haider muss eigentlich fast schon als Glücksfall gewertet werden. Ein Paukenschlag, vergleichbar in etwa einer 0:5-Niederlage der deutsche Fußballnationallmannschaft gegen Luxemburg. [...] So nährt dieser „Paukenschlag“ in mir die Hoffnung, dass diejenigen endlich aus ihrer geistigen Lethargie erwachen, die sich immerzu und mit penetranter Beharrlichkeit darauf beschränken, unmodifiziert längst überholte und schon lange nicht mehr überprüfte Klischees und Vorurteile aus grauer APO-Zeit wiederaufzubacken.

Wer ist ausländerfeindlich? Derjenige, der sich – wie Rechtspopulist Haider – dieses Etikett irgendwann einmal selbst angesteckt hat und jetzt als Wandlungs- und Entschuldigungsgenie glänzt? Oder vielleicht diejenigen, die sich, ohne große Töne zu spucken, schlichtweg ausländerfeindlich verhalten. Die derzeit anlaufende Abschiebung der unlängst zu uns geflüchteten Kosovo-Albaner ist dafür ein beredtes Beispiel. Die dabei vorgenommene rücksichtslose und unmenschliche Härte, der Fintenreichtum, mit dem deutsche Behörden nicht einmal davor zurückschrecken, sogar UN-Vereinbarungen auszuhebeln, ist eine Umdrehung, um nicht zu sagen Perversion rot-grüner Wertvorstellung. Erdacht und praktiziert von einer rot-grünen Regierung, stillschweigend geduldet und kaum wahrgenommen von einer rot-grünen Klientel – aber wohl schwerlich in deren Sinne!

Wachsamkeit, intellektuelle Redlichkeit und vor allem ein unideologisierter Blick wäre gefragt, um ohne Rücksicht auf liebgewordene Vorstellungen zu erkennen, wo Faschismus und Ausländerfeindlichkeit tatsächlich wächst und gedeiht. Denn letztendlich sollte es nicht nur darum gehen, mittels unsubstanzieller Etikettierungen die Welt in Gut und Böse einzuteilen, sondern Missstände dort zu erkennen und möglicherweise dagegen zu kämpfen, wo man sie antrifft. Darüber hinaus sollte es vielleicht gar nicht die Aufgabe der politisch Denkenden sein, sich immerzu auf eventuelle Wölfe im Schafspelz und Schafe im Wolfspelz zu fixieren, sondern schlicht und einfach darum, klare politische Zielvorstellungen zu entwickeln und diese zu realisieren. Dazu ist der demokratische Apparat nämlich da.

Johannes Simon, Landsberg

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