Die Mutter Beimer der FDP

Die hessische FDP-Landesvorsitzende Ruth Wagner: Aus Machtgier, Mutterinstinkt oder Trotz widerständig gegen die Berliner Parteispitze

Ist es vielleicht der Mutterinstinkt, der Ruth Wagner (59) dauerhaft zur Protektion von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) animiert? Die Frau steht schließlich ein für einen Mann, der ein politisch untragbar gewordener „Lügner und Betrüger“ ist; so jedenfalls lautet das Urteil von SPD und Bündnisgrünen im Landtag. Und seit dem Offenbarungseid von Koch am vergangenen Dienstag glauben das auch viele Mitglieder ihrer eigenen Partei. Mutterinstinkt? Die Ministerin für Wissenschaft und Kunst im Kabinett Koch, die auch FDP-Landesvorsitzende ist, wird von Spöttern im Landtag gerne als „die Mutter Beimer der FDP“ apostrophiert. Ihr Schützling, Roland Koch, wird am 24. März gerade einmal 42 Jahre alt.

Es kann aber auch sein, dass die resolute gelernte Gymnasiallehrerin, die auf dem gelben Narrenschiff der hessischen Freidemokraten das schwarze Segel der hessischen Union gehisst hat, nur gegen alle Flaggen manövriert, weil die massive Einmischung von außen eine Trotzreaktion bei ihr ausgelöst hat. Schon in den Tagen vor Lich verbat sie sich patzig jeden Kommentar zu den hessischen Verhältnissen. Keiner von außen dürfe der hessischen FDP reinreden, sagte Wagner auch am Samstag in Lich wieder. Der Landesverband sei autonom, so ihr entschlossenes Credo. Und sie hat sich durchgesetzt.

Ruth Wagner, seit 1971 Mitglied der FDP und seit 1978 Landtagsabgeordnete (als Ministerin hat sie ihr Mandat nicht niedergelegt), läuft immer dann zu Hochform auf, wenn sie sich in die Enge getrieben sieht oder glaubt, den Liberalismus generell oder die Politik ihrer FDP in Hessen verteidigen zu müssen. Dann geriert sie sich auch radikal; und in Lich kuschten die 21 anderen Mitglieder des Landesvorstandes. Die Wagenburg steht. Eine „Heckersche“ sei sie schließlich auch, bekannte sie, als der „Zeitzug 1848“ vor knapp zwei Jahren von Wiesbaden abfuhr. Ruth Wagner – eine glühende Verehrerin des radikalen Demokraten Friedrich Hecker, der 1848 den bewaffneten Aufstand gegen die Fürstenherrschaft probte? Den Aufstand gegen die Bundes-FDP hat sie jedenfalls vorläufig gewonnen.

Ruth Wagner – nicht nur Mutter der hessischen FDP und des jungen Ministerpräsidenten, sondern auch Enkeltochter der deutschen Revolution? Böse Zungen im Landtag behaupten, dass ihre Resistenz gegen den Ausstieg der FDP aus der Landesregierung, gegen die Befreiung der Partei von der verhängnisvollen Anbindung an die untergehende CDU, aus anderen, ganz persönlichen Motiven resultiere: Sie wolle ja nur ihren Traumjob behalten, heißt es, wolle um jeden Preis Staatsministerin bleiben. Um nie wieder in den grauenhaften Schuldienst zu müssen. Aber könnte es – nach Neuwahlen – nicht vielleicht zu einer SPD/FDP-Regierung kommen? So ganz ohne die Grünen? Damit der Flughafenausbau ohne Querelen politisch durchgezogen werden kann? Das fast Undenkbare aber ist in Wiesbaden bislang noch kein Thema. Und Frau Wagner hat sich hoffnungslos verrannt: Mit Koch durch die Wand.

Klaus-Peter Klingelschmitt