Frühreife Pappeln

■ Genmanipulierte Bäume bei Hamburg knospen, obwohl sie das nicht dürfen

Zehn genmanipulierte Zitterpappeln in Großhansdorf wurden ges-tern zur Sicherheitsverwahrung in ein Gewächshaus verpflanzt. Sie hatten „frühzeitig Knospen getrieben“, erklärte der Leiter des Instituts für Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung, Hans Muhs. Weitere Verpflanzungen könnten erforderlich werden, räumte er ein. Der Grund sei vermutlich die „milde Witterung in den vergangenen Wochen“.

In der Aufsichtsbehörde, dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium, wird die Angelegenheit weniger meteorologisch gesehen. „Eigentlich sind die Bäume noch zu jung, um überhaupt zu knospen“, weiß Sprecherin Claudia Viße. Zitterpappeln würden „normalerweise“ frühestens mit sieben Jahren fortpflanzungsfähig, die Großhansdorfer Zitterpappeln jedoch sind erst fünf bis sechs Jahre alt. Das Ministerium habe deshalb die Verpflanzung angeordnet, um andere Pflanzen vor einer möglichen Pollen- oder Samenübertragung zu schützen.

Auf dem Testfeld in der Gemeinde an der Hamburger Landesgrenze werden seit Juni 1996 Pappeln gezüchtet, die mit einem Gen manipuliert wurden, dass Zwergwüchsigkeit herbeiführen solle. Die Großhansdorfer Forscher untersuchen im Auftrag der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH) die Stabilität von gentechnischen Veränderungen im Pflanzenorganismus und mögliche Risiken, die aus solchen Eingriffen entstehen können. Zu diesem Zwecke wurden 337 Bäume ausgepflanzt.

Bereits vor zwei Jahren hatte auf dem von Umweltschützern und Verbraucherverbänden heftig kritisierten Versuchsfeld eine Pappel „nicht versuchsanordnungsgemäß“ Knospen getrieben. Ihr waren daraufhin die Zweige abgeschnitten worden, später wurde der gesamte Baum ausgegraben. Dass nun zehn Pflanzen ihr nacheifern, wertet das Umweltministerium als Beleg dafür, dass „im Leben immer wieder unvorhergesehene Dinge passieren“.

Sollten in Großhansdorf noch weitere Pappeln deutliche Anzeichen von Frühreife zeigen, müssen laut Versuchsgenehmigung alle um ihr Leben zittern. Wenn mehr als fünf Prozent der Pappeln blühen, also 17, können die Behörden den Test abbrechen.

Sven-Michael Veit