„Mehr Demokratie“ scheitert endgültig

■ Das Volksbegehren darf nicht stattfinden: Der Staatsgerichtshof machte der Bürgerinitiative „Mehr Demokratie“ endgültig einen Strich durch die Rechnung

Montagmorgen, Viertel nach zehn, im Staatsgerichtshof zu Bremen. Für die Bürgerinitiativler des Vereins „Mehr Demokratie“ ist die Sache klar: Die Bremer Richter hätten ein „Demokratie-Verbot verhängt, das im krassen Widerspruch zum Grundgesetz steht“. Endgültig abgelehnt wurde gestern der Antrag auf ihr Volksbegehren, mit dessen Hilfe die Hürden für zukünftige Volksbegehren herabgesetzt werden sollten. Der Versuch, die Hürden für Volksabstimmungen herabzusetzen, widerspräche dem Grundgesetz, argumentierten die Richter.

Dem Sprecher der Bremer „Mehr Demokratie“-Bewegung, Ralph Kampwirth, nickte während der Urteilsverkündung der Kopf aus lauter Enttäuschung auf die Brust. Seit zwei Jahren kämpft der bundesweite Verein auch in Bremen um mehr Volksbeteiligung am politischen Entscheidungsprozess. Die gestrige Urteilsverkündung ist der bisherige Tiefpunkt ihrer Bemühungen, in Bremen mehr Mitspracherechte für die Bürger zu erreichen. Dennoch kündigte Kampwirth noch am Nachmittag an, den bisherigen Gesetzentwurf zu überarbeiten, um erneut einen Volksbegehren-Versuch in Bremen zu starten.

Ähnlich wie für das Volksbegehren der Rechtschreib-Gegner hatte der Senat auch in diesem Fall den Staatsgerichtshof angerufen, um über die Rechtmäßigkeit des Bürgerantrags zu entscheiden. „Mehr Demokratie“ wollte erreichen, dass keine Mindestbeteiligung mehr für Volksentscheide in Bremen gelten – bislang müssen 25 Prozent aller Stimmberechtigten einer einfachen Gesetzesänderung zustimmen, für Verfassungsänderungen sind es sogar 50 Prozent. Künftig solle die Mehrheit der abgegebenen Stimmen gelten, wie bei einer normalen Wahl, forderte „Mehr Demokratie“. Außerdem sollten die zwei Vorstufen zum Volksentscheid – Zulassungsantrag und Volksbegehren – vereinfacht werden. Zudem sollte das Volk in Zukunft auch über haushaltsrelevante Themen abstimmen dürfen. Volksentscheide scheiterten in Bremen bisher immer an den hohen Beteiligungs-Quoren oder am Haushaltsvorbehalt.

Glaubt man dem Gericht, droht die Anarchie, falls Volksabstimmungen so leicht gemacht würden, wie von „Mehr Demokratie“ gewollt. Rein theoretisch sei es denkbar, dass eine einzige Person, die zur Wahl geht, über Verfassungsänderungen oder Parlamentsauflösungen entscheidet. Damit widerspreche der vorgelegte Gesetzentwurf Artikel 28 des Grundgesetzes: Nach dem dort formulierten Demokratiegebot dürfen Gesetze nicht lediglich Ausdruck des Willens einer Minderheit sein. Auch das Begehr, das Volk in Zukunft über Geldausgaben entscheiden zu lassen, widerspräche dem Gesetz: Dafür zuständig sei einzig und allein die gewählte Bürgerschaft.

Der Einwand, dass der Gesetzesvorschlag in Bremen dem (erfolgreich durchgesetzten) Gesetz in Hamburg fast entspräche, ließen die Richter ebenso wenig gelten wie den Hinweis, dass eine minimale Wahlbeteiligung bei Volksbegehren nirgends zu beobachten sei, wo bereits niedrigere Hürden für Volksentscheide gelten. Im Gegenteil, argumentierte „Mehr Demokratie“, würde das Mehrheitsprinzip sogar für rege Beteiligung sorgen: Die Stimmen der Wähler, die zu Hause blieben, würden nämlich nicht mehr automatisch als Ablehnung eines Antrags gewertet. cd