Schifffahrt bald wieder ohne drittes „f“?

■ Das Volksbegehren darf stattfinden: Bald werden wieder Unterschriften gesammelt, um die Rechtschreib-reform in Bremen rückgängig machen zu können

Montag morgen, halb zehn, im Staatsgerichtshof zu Bremen. Die Sprecherin der Bürgerinitiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ sitzt auf ihrem Platz und versteht von der Urteilsbegründung nur Bahnhof – wie der Großteil der im Saal Versammelten. Erst als der Richter direkt die Reform-Gegnerin anspricht, versteht auch ihr Anwalt den Beschluß: „Für Frau Ahrens: Das Volksbegehren ist zulässig“. Erst dann bricht die Mutter, die seit einem Jahr gegen die Rechtschreibreform kämpft, in gerichtsunüblichen Jubel aus. Nur einen kleinen Nebenaspekt hat das Gericht gekippt: Das Volk darf den Senat nicht auffordern, bundesweit für einen Reformstop einzutreten.

Damit ist beschlossen: In wenigen Tagen darf die Initiative wieder Unterschriften für ihr Volksbegehren sammeln. Finden sich in den nächsten drei Monaten rund 50.000 Bremer Wahlberechtigte, die ihre Unterschrift für das Volksbegehren geben, kommt es zum abschließenden Volksentscheid: Wenn abermals rund 130.000 Wahlberechtigte das Anliegen der Reformgegner unterstützen, wird Bremen aus dem Rechtschreibreform-Kanon der anderen Bundesländer ausscheren.

Der Senat hatte das angestrebte Volksbegehren kippen wollen und war vor den Staatsgerichtshof gezogen. Der Text für das Volksbegehren sei nicht klar genug gefaßt, hatte der Senat argumentiert. Es sei nicht klar, ob die alten Rechtschreibregelungen wieder eingeführt werden oder zukünftige Reformen unterbunden werden sollen. Zudem könne das Volksbegehren zu einem „Verbot des Handelns“ für den Senat führen, wenn dieser vorgeschrieben bekomme, welche Politik er vertreten solle.

Die Bürgerinitiative hatte dagegen argumentiert, es sei klar, daß das Volksbegehren darauf ziele, die alte Rechtschreibung wieder einzuführen. Man teile nicht die Meinung des Senats, die neue Rechtschreibung werde schnell zur allgemein üblichen Rechtschreibung werden. Derzeit gebe es drei Formen der Rechtschreibung: Die alte, die neue und die über die Medien verbreiteten Zwischenlösungen. Der Einwand des Senats, ihm werde ein Verbot des Handelns aufgezwungen, sei nicht angemessen.

Die sieben Richter des Staatsgerichtshofs beschlossen einstimmig: Das Volksbegehren darf stattfinden. Dem Senat aber darf nicht vorgeschrieben werden, welche Politik er auf Bundesebene verfolge. Nun werden die Bürgerinitiativler ihren Gesetzentwurf ein wenig umarbeiten, bevor sie wieder auf Stimmenfang gehen.

Petra Ahrens begrüßte naturgemäß das Urteil. „Im März 1999 haben wir gesagt, daß wir ein Volksbegehren starten wollen. Durch den Gerichtsprozeß waren wir ein Jahr lang zur Tatenlosigkeit verurteilt“. Sobald das Urteil des Staatsgerichtshofes im Bremer Amtsblatt veröffentlicht ist, kann sofort die Sammelaktion losgehen. Abgestimmt werden darf nur von wahlberechtigten Bürgern mit Wohnsitz in Bremen oder Bremerhaven. Ob Bremen jetzt eine Insel der Rechtschreibreform werde? „Falsch“, sagt Ahrens, „Bremen soll jetzt wieder Festland werden“. Bildungssenator Willi Lemke (SPD ) appellierte an die Reform-Gegner, trotz des Gerichtsurteiles ihr Anliegen nicht weiter zu verfolgen. Ein Erfolg des Volksbegehrens wäre ein Nachteil für Bremer Schüler und Schülerinnen, da sie dann bundesweit die einzigen wären, die nach den alten Regeln die Rechtschreibung lernen würden. cd