Tour der Erkenntnis

Existenzielles Fahrradfahren: „Shiro/the White“ von Hirano Katsuyuki im Forum

Dies ist ein extremer Film für Fahrradfahrer, Naturliebhaber und die Freunde radikaler Filmkunst. Die Zeit der ganz großen Filmhelden ist längst noch nicht vorbei und auf den Robert De Niro, der Hirano Katsuyuki toppen kann, wird man noch lange warten müssen. Im Winter 1998 fuhr der 35-jährige Regisseur ganz allein mit seinem Fahrrad 2.228 Kilometer über die Insel Hokkaido zur Skoton Peninsula, dem nördlichsten Punkt von Japan, und filmte sich und alles dabei ab. Ein seltsam extremes Projekt, das nach den ersten drei Wochen, als der Filmer wegen einer Blinddarmentzündung in einem Krankenhaus operiert werden musste, fast schon gescheitert war.

Alle waren dagegen, doch Katsuyuki machte weiter. Irgendwann sagt er, er stelle sich vor, dass am Ende seiner Reise nette Mädchen mit Sexangeboten auf ihn warten zur Belohnung. Die Bilder sind mit einer sehr empfindlichen Hi8-Kamera gedreht; manchmal gehen sie ins sehnsüchtig körnige, oft brechen sie plötzlich ab. Mal sieht man karge Landschaften, mal sein Gesicht; manchmal ist die Kamera auch ziemlich tief am Fahrrad angebracht.

Mal gehen die Bilder mehr ins Dokumentarische, mal mehr ins Experimentale. Eine Weile hat er Durchfall und schämt sich, Windeln zu kaufen; eine Weile hört man sein Keuchen; manchmal gibt es keinen Ton und die Augen können sich in den Landschaften ausruhen. Man sieht den Radfahrer, dem nie andere begegnen, an trostlosen Industrielandschaften vorbeifahren. Später sind ein paar Hunde am Wegesrand seine einzigen Gefährten. Später begegnet ihm ein Blizzard auf Hokkaido. Am 73. Tag der Reise gibt er fast auf. Es sind 20 Grad minus, die Schneelandschaft ist brutal und das Rad völlig eingefroren.

Schon mit zwanzig schuf der unabhängige Regisseur Hirano Katsuyuki preisgekrönte Filme. „The White“ ist der Abschluss einer Fahrradfahrtrilogie, im ersten Teil war er mit einer Freundin unterwegs, der zweite Teil („Bildlexikon der Vagabunden“) beschrieb eine Seitensprungtour auf dem Fahrrad. Detlef Kuhlbrodt

„Shiro/the White“. Regie: Hirano Katsuyuki, Japan, 118 Min.; heute 16.45 Uhr, Cinestar 8; 16. 2., 12 Uhr, Arsenal