„Ich wollte Kargheit“

Babak Payami, der Regisseur von „Yek rouz bishtar“ – „One more day“, im Gespräch

taz: Herr Payami, man sieht in Ihrem Film ungefähr eine halbe Stunde lang einen Mann und eine Frau an einer Bushaltestelle sitzen bzw. miteinander Bus fahren, ohne dass sie ein Wort miteinander reden. Man erfährt auch nicht, was die beiden miteinander zu tun haben. Was ist das für eine Liebesgeschichte?

Babak Payami: Ich wollte das Publikum auf keinen Fall in irgendeine Richtung leiten. Man soll einfach nur die Einsamkeit dieser beiden Menschen spüren. Und damit man sich ganz darauf konzentrieren kann, habe ich versucht, jegliche erzählerische Standards zu vermeiden.

In Ihrem Film entsteht der Eindruck, dass es im Iran für Männer und Frauen, die nicht verwandt oder verheiratet sind, kaum möglich ist, in der Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Natürlich, es gibt derzeit dafür sozusagen keinen Code im Iran. Und natürlich hat die Form der Introvertiertheit, unter der die beiden leiden, immer auch etwas mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun. Gleichzeitig haben beide etwas in ihrer Vergangenheit erlebt, das sie so sein lässt. Diesem Geheimnis kommt man aber nur ganz, ganz langsam auf die Spur.

Es wird viel geraucht in Ihrem Film. Das wirkt auch wie eine Form der Verständigung. Man gibt sich Feuer, redet über Zigarettensorten etc.

Im Iran ist das Rauchen eine Form der Kommunikation. Vor allem ist ja meine männliche Hauptfigur sehr isoliert. Durch das Rauchen tritt diese in Kontakt mit seiner Umwelt. Er raucht in jeder einzelnen Szene des Films, außer in der, wo er der Frau seine schwere Last anvertraut. Durch das Rauchen konnte ich vieles indirekt erzählen, auch den Tod. Zum Beispiel begegnet meine Hauptfigur im Krankenhaus einem alten Mann, der schwer krebskrank ist und trotzdem heimlich raucht.

Die Frau wirkt mutiger als der Mann. Sie traut sich auch als erste, die merkwürdig unausgesprochene Beziehung der beiden in Worte zu fassen.

Ihre Präsenz prägt den Film mehr, obwohl sie seltener zu sehen ist. Es stimmt, sie wagt den entscheidenden Schritt. Sie wagt es, auf ihn zuzugehen. Sie ist stärker und bringt ihn überhaupt erst dazu, seinen Panzer zu durchbrechen.

Ihr Film geht auf sehr interessante Weise mit der Zeit um.

Es gibt eine lineare Zeitlinie. Aber auf dieser Linie wird die Zeit gewissermaßen „dimensionalisiert“. Wir sehen die beiden jeden Tag an der Bushaltestelle, und jedes Mal gehen wir fünfzehn Minuten weiter zurück in der Zeit, die vor diesem Treffen liegt. Dadurch erfahren wir ganz langsam immer mehr über das Leben der beiden.

Für ein Regiedebüt hat „Yek rouz bishtar“ eine sehr konsequente Form. Woher kommt der Mut, so zu erzählen? Oder hängt das auch mit dem Weg zusammen, den Regisseure wie Abbas Kiarostami beschritten haben? Ihr Kameraman hat ja auch mit ihm gearbeitet.

Ich bin vor kurzem aus Toronto zurück in den Iran gekommen und fühle mich in der iranischen Kinolandschaft noch nicht so vertraut. Aber natürlich habe ich mich beim Studium an Kiarostami und Makhmalbaf orientiert. Andererseits wollte ich, dass meine Kamerasprache noch karger wird. Ich habe mit Laien gearbeitet und einfach die ganz alltägliche urbane Umgebung zum Set gemacht, und es gab nur natürliches Licht. Das einzige, was wir gebaut haben, war die Bushaltestelle.

Das hört sich nach einer iranischen „Nouvelle Vague“ an.

Sicher ist, dass das iranische Kino derzeit in Bewegung ist. So wie sich das iranische Kino – auf einem unglaublich hohen Niveau – in den letzten Jahre entwickelt hat, ist klar, dass ein neuer Abschnitt bevorsteht. Grob gesagt geht es um die Bewegung von einem sehr hoch entwickelten Realismus hin zu einem eher verinnerlichten Naturalismus. Diese filmische Bewegungen haben Länder wie Frankreich, Italien, England oder China vor Jahren vollzogen. Es geht aber nicht um eine hierarchische Entwicklung. Das neue iranische Kino wird nicht unbedingt besser sein, aber es wird sich eher innerlichen, persönlichen Erzählweisen zuwenden. Weniger expressiv, weniger äußerlich, dafür psychologischer und impressionistischer.

Die Standardfrage: Hatten Sie Probleme mit der Zensur? Einmal sieht man in Ihrem Film kurz, wie jemand auf der Straße verhaftet wird.

Um die Erlaubnis zu bekommen, dass der Film hier in Berlin gezeigt wird, musste ich meinen Film natürlich den Behörden zeigen. Aber ich hatte keine Schwierigkeiten. Ich habe den Film so gemacht, wie ich ihn machen wollte. „I did it my way“, um mal jemanden ganz anderen zu zitieren.

Interview: Katja Nicodemus