Das Portrait
: Italiens linker Scharfmacher

„Spätestens nach einer Verurteilung in zweiter Instanz, und in besonders schweren Fällen schon nach der ersten Instanz, muss die Strafe rechtskräftig werden.“ Italiens Innenminister Enzo Bianco liebt scharfe Töne. Gerade sechs Wochen im Amt, profiliert er sich in Massimo D’Alemas Mitte-links-Regierung als Hüter des Gesetzes, der es mit den Gesetzen nicht immer so genau nimmt. Tag für Tag verkündet er die immer gleiche Botschaft: Verbrecher gehören in den Knast, basta. Anlass für seine Kampagne sind mehrere Morde, Schießereien, Raubüberfälle, in die mal ein vorzeitig Haftentlassener, mal ein Freigänger, mal ein auf freien Fuß gesetzter Untersuchungshäftling verwickelt war.

Biancos Schnellschluss aus der Hüfte: Italien braucht neue Haftanstalten, es braucht elektronische Fesseln – und es hat keinen Bedarf mehr an verfassungsmäßigen Garantien, an Resozialisierung, Hafturlaub oder vorzeitiger Strafaussetzung auf Bewährung.

Dabei galt Enzo Bianco als eine der Galionsfiguren des neuen Kabinetts. Als langjähriger Bürgermeister von Catania – er regierte die zweitgrößte sizilianische Stadt 1988/89 und dann wieder 1993 bis 1999 an der Spitze eines breiten Mitte-links-Bündnisses – gelang ihm, ein radikaler Kurswechsel. Wo früher 150 Menschen pro Jahr den Mafiakriegen zum Opfer fielen, sank die Zahl der Morde auf sechs jährlich, und wo früher Schwarzbauten die Küste verschandelten, antwortete Biancos Stadtverwaltung mit der Abrissbirne. Die Bürger bescherten ihm bei der Wiederwahl 1997 ein Traumergebnis von 63 Prozent.

Damit schien der 49-jährige Jurist endgültig für eine Rolle in der nationalen Politik qualifiziert. Das Sprungbrett war gefunden, als Bianco zusammen mit den Bürgermeistern von Venedig und Rom erst die Bewegung der „Centocittà“, der hundert Städte, und dann im Verein mit Romano Prodi und Ex-Staatsanwalt Antonio Di Pietro die Partei der „Democratici“ aus der Wiege hob. Sie kam bei den Europawahlen aus dem Stand auf acht Prozent der Stimmen.

Mit der „Methode Catania“ will Bianco jetzt die italienische Innenpolitik umkrempeln. Einen Erfolg hat er dabei schon erzielt; er hat die Rechte rechts überholt. Mehrere Abgeordnete der ex-faschistischen Alleanza Nazionale erklärten, Biancos Vorhaben seien „pathetische und groteske Scharfmacherjustiz“. Michael Braun