So schnell wie ein Nachtzug

■ In der Galerie Katrin Rabus stellte das Amati Quartett mit einem modernen Programm seine Qualität unter Beweis

Wohl kaum ein musikalischer Bereich wird von so hochkarätigen InterpretInnen ausgefüllt wie es bei StreicherInnen-Ensembles der Fall ist. Ganz gleich, welchen Namen die Gruppierungen tragen, von Kronos- bis Alban-Berg-Quartett: Echte Enttäuschungen treten nur noch in den seltensten Fällen auf, meist kann es nur noch darum gehen, kleinste Nuancen des interpretatorischen Ausdrucks zu kommentieren.

So erwies sich auch das Schweizer Amati Quartett, das in der Galerie Katrin Rabus auftrat, als erstklassig. Gerade ein so langes Werk wie Schönbergs Streichquartett op.7 (fünfzig Minuten) erfordert die Fähigkeit genauester Differenzierungen, wenn das frühmoderne Stück mit seiner weitgespannten Melodik nicht zu einem langweiligen, unkenntlichen Brei verkommen soll. Dies verhinderte das Quartett mit vollem Klang, hervorragender Intonation und fein abgestimmter Dynamik. Allein das Tempo schien ein wenig schnell gewählt zu sein. Der getragene Charakter, der unter anderem eigentlich alle Kompositionen Schönbergs auszeichnet, kam so etwas zu kurz.

Ohne Pause ging es dann in den zweiten Teil des Abends; eine unglückliche Entscheidung. Zum einen ist bei einem Streichquartett von einem eher begrenzten Klang-spektrum auszugehen, so dass selbst bei hochrangigsten Konzerten stets eine Übersättigung droht. Zum anderen sollte dem Zuhörer, zumal bei der komplexen Musik des 20. Jahrhunderts, die Möglichkeit zur Besinnung eingeräumt werden. Doch zumindest die Annahme des begrenzten Klangspielraums erwies sich bald als falsch: Mit Schlägen auf die Instrumente, Streichen über das Holz erzeugten die Musiker in Helmut Lachenmanns Komposition „Gran Torso“ Klänge, die an ein Quartett für Schlagwerk erinnerten. Hier wurde von den Künstlern vor allem die Konzentration auf das Rhythmische gefordert. Mit großen Bewegungen seines Bogens zeigte Willi Zimmermann (1. Violine) bei besonders heiklen Stellen immer wieder den Takt an, damit gemeinsame Pizzicato-Einsätze mit Katarzyna Nawrotek (2. Violine) so exakt gelingen, wie es bei dem Amati-Quartett dann auch der Fall war.

Die Klangschönheit des Ensembles kam in einem derartigen Stück nun freilich nicht mehr zum Zuge. Doch durch ihre dynamische Feinabstimmung konnten sich die Musiker auch in ihrer Interpretation des „Schlagwerk“-Quartetts auszeichnen. Lange Abschnitte eines kaum hörbaren Streichens über das Holz der Viola (gespielt von Nico-las Corti) wurden unterbrochen von mal entschiedenen, mal nahezu unbeabsichtigt wirkenden Schlägen. Einem mittels druckvollem Reiben des Bogens auf den Saiten erzeugten Knarrgeräusch verlieh Claudius Hermann (Cello) mal energischeren, mal sensibleren Ausdruck. Und die Tendenz zur Eile, die noch die Schönberg-Interpretation geprägt hatte, setzte sich hier nicht fort.

Den Grund für die anfängliche Eile wie auch für das Fehlen einer Pause erfuhr man übrigens am Ende des Konzerts: „Entschuldigen sie bitte unsere Unhöflichkeit“, unterbrach Cellist Claudius Hermann den anschließenden Applaus, „aber wir müssen sofort weg, um noch den Nachtzug zu bekommen!“ Johannes Bruggaier