beiseite
: Junge Kunst

Berlin ist im Berlinale-Fieber, andere Sensationen und Großereignisse haben es da im Moment sehr schwer. So lässt sich nicht davon sprechen, dass der Andrang bei einer Pressekonferenz, bei der die Neue Nationalgalerie einen frisch gestifteten „Preis für Junge Kunst“ vorstellte, besonders groß war. Doch der Preis, mit 100.000 Mark dotiert, ist nicht von Pappe, verglichen etwa mit dem Kunstpreis Berlin, der mit nur 30.000 Mark dotiert ist, für den man aber schon ein Lebenswerk vorweisen muss.

Stifter ist der Verein der Freunde der Nationalgalerie, seit 22 Jahren der mächtigste Pate im Berliner Museumsbetrieb. Sie haben Menzel und Gärtner für die Sammlung des 19. Jahrhunderts erworben, Bilder von Otto Dix, Christian Schad und Emil Nolde für die Neue Nationalgalerie gekauft und Ausstellungen von Gauguin und Rebbecca Horn veranstaltet. Dem latenten Vorwurf, über der sicheren Publikumsnummer das Risiko zu scheuen, begegneten sie vor zwei Jahren mit der Saatchi Collection junger britischer Kunst „Sensation“ im Hamburger Bahnhof, die später auf ihrer Tournee den Bürgermeister New Yorks vor Wut schäumen ließ und dort einen mittleren Skandal auslöste.

In Berlin allerdings leidet die Nationalgalerie unter dem Ruf, gegenüber der jungen Kunst allzu vorsichtig zu agieren. Selbst im „Museum für Gegenwart“ nehmen die letzten vier Jahrzehnte den größten Raum ein, nicht zuletzt durch die Sammlung Marx. Mit dem Preis für Junge Kunst, der in Deutschland arbeitenden Künstlerinnen oder Künstlern, die nicht älter als vierzig Jahre alt sein dürfen, gewidmet ist, wird diese Zeitschicht aufgebrochen.

Denn verbunden mit der Preisverleihung am 6. Dezember ist ab September eine Ausstellung von vier Nominierten. Dass die zum „talk of the town“ wird, erhofft sich Peter Raue, Vorsitzender der Freunde. „Das ist unser Einspiel zur Messe“, ergänzt Peter-Klaus Schuster, Direktor der Nationalgalerie. Dieses Jahr ist dafür die große Halle des Bahnhofs reserviert.

Früher mussten die Freunde der Nationalgalerie dem Direktor oft den Rücken stärken gegen die Generaldirektion, heute besetzt Schuster beide Funktionen. Der Spielraum des Vereins ist damit gewachsen; der Preis die erste Antwort auf die neue Situation. Mit Ausstellung und Preisgeld investiert er ein Viertel seines Etats von 1 Million Mark, der aus den Beiträgen der rund 1.000 Mitglieder stammt. Die dürfen dafür ebenso wie Kunstvereine überall auf der Welt ihre Kandidaten vorschlagen.

Ein wenig ließ Raue durchblicken, dass er diesen Grand Prix für eine gute pädagogische Maßnahme hält, die oberen tausend dem Diskurs über aktuelle Kunst zuzuführen. Die Einbeziehung von Kunstvereinen weltweit hilft zudem, Berlin auf der Karte des internationalen Kunstgeschehens wieder mit einem größeren Punkt zu markieren. Aus der „longlist“ der Vorgeschlagenen sucht die Jury, in der zwei Vereinsvorstände, ein Junior-Mitglied, Direktor Peter-Klaus Schuster, der Kurator Eugen Blume und zwei von auswärts kommende Juroren angehören, zunächst die „shortlist“ für die Ausstellung, dann den Gewinner aus.

So will man die Spannung allmählich steigern und die Scharte auswetzen, in der Hauptstadt bisher keinen so renommierten Pokal wie den in London verliehenen Turner-Preis zu haben.

Katrin Bettina Müller