Trittin will Genmais aufhalten

Seit gestern berät das Sortenamt erstmals über die endgültige Zulassung einer Genpflanze. Trittin bittet Funke, das Verfahren auszusetzen ■ Von Matthias Urbach

Noch heute könnte der vom Biotechnik-Konzern Novartis entwickelte Genmais die letzte Hürde für den ganz normalen Anbau in Deutschland nehmen. In Hannover berät der Sortenausschuss des Bundessortenamtes über die endgültige Zulassung des so genannten BT-176-Maises. Die Genehmigung ist wahrscheinlich – falls das Sortenamt, das dem Agrarministerium untersteht, die Befassung nicht im letzten Moment vertagt.

Denn im Umweltministerium gibt es starke Bedenken gegen das Gengemüse. In einem Brief an Agrarminister Karl-Heinz Funke (SPD), der der taz vorliegt, drängt Umweltminister Jürgen Trittin seinen „lieben Herrn Kollegen“ dazu, „in der Sorge um mögliche Schäden für die Umwelt ... das Bundessortenamt anzuweisen, die Zulassungsentscheidung für den BT-Mais bis auf weiteres zurückzustellen“.

Der Genmais hat das Gen eines Bodenbakteriums namens Bacillus thuringiensis eingepflanzt bekommen. Dieses Gen produziert in der Pflanze einen Giftstoff, der Insekten tötet. Der BT-Mais soll vor allem vor dem verheerenden Befall mit Maiszünslern schützen. Umweltschützer kritisieren, der Genmais töte nicht nur Schädlinge, sondern auch Nützlinge wie etwa die Florfliege sowie Schmetterlinge. Mögliche Auswirkungen auf die Nahrungskette seien unvorhersehbar. Novartis hingegen hält seinen Mais für unbedenklich und verweist auf eigene Studien.

Bei der Sortenzulassung werden allein die landbaulichen Qualitäten des Maises untersucht. Unter ökologischen oder gesundheitlichen Aspekten hatte der BT-Mais bereits das Okay von der EU-Kommission im Januar 1997 erhalten. Gegenstand der Beratung des Sortenausschusses sind etwa der Ertrag des Maises, seine Beständigkeit und seine Qualität. Zwar sagte der Präsident des Bundessortenamtes, Rolf Jördens, das Ergebnis der Entscheidung sei noch offen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass sich das Gremium gegen eine Sortenzulassung entscheiden würde, nachdem diese bereits in Spanien, Portugal und Frankreich erteilt worden ist. Die Entscheidung habe keinen politischen Spielraum, betont Jördens.

Deshalb will Trittin die Entscheidung nun aufhalten. Er beruft sich dabei auf den gemeinsamen Standpunkt der EU-Umweltminister vom Juni vergangenen Jahres. Darin hatte Deutschland unter anderem erklärt, so unterrichtet Trittins in seinen Brief den Agrarminister Funke, „das Inverkehrbringen von genveränderten Organismen nicht zu genehmigen, solange nicht erwiesen ist, dass keine schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit bestehen“. Seit die EU-Kommission den BT-Mais 1997 für unbedenklich erklärt habe, hätten sich neue wissenschaftliche Bedenken von Schweizer und amerikanischen Experten ergeben (siehe unten).

Auch andere EU-Staaten haben auf die neuen Erkenntnisse reagiert. So nahmen Frankreich und Portugal 1999 sogar bereits erteilte Sortenzulassungen wieder zurück. Weil Frankreich daraufhin Ärger mit der EU-Kommission bekam, lässt die französische Regierung den Beschluss nun vom Europäischen Gerichtshof prüfen.

Daran sollte sich Deutschland orientieren, fordert auch Gerhard Timm vom Umweltverband BUND. „Es stellt sich die Frage, warum ausgerechnet eine rot-grüne Regierung dahinter zurückbleibt.“ Eine Reaktion des Agrarministeriums lag bis Redaktionsschluss nicht vor. Zuvor hatte aber eine Sprecherin des Ministeriums der taz erklärt, die Entscheidung des Sortenausschusses erst einmal abwarten zu wollen.

Schon jetzt darf der BT-Mais in Deutschland zu Versuchszwecken in begrenzter Menge verkauft werden. Bereits 1997 genehmigte das Bundessortenamt einen Verkauf zu Versuchszwecken in Höhe von 50 Tonnen Saatgut. Novartis nahm von dem Kontingent nur 18 Tonnen in Anspruch und ließ in Absprache mit interessierten Bauern den Mais auf rund 500 Hektar anbauen. „Es ist eben ein sensibles Thema“, erklärt Rainer Linneweber, Sprecher von Novartis Seeds Deutschland. Auch nach einer vollen Zulassung wolle Novartis den BT-Mais zunächst nur auf einigen hundert Hektar Land anbauen. „Handel und Landwirte“, sagt Linneweber, „müssen sich erst daran gewöhnen.“