Im Kino mit dem Kapital

Ist der Songwriter Randy Newman nun ein Misanthrop, Humanist oder gar der letzte große Lieberale der USA?  ■ Von Jörg Feyer

Es war ja so, in den 90er-Jahren. Da saß man mal wieder im Kino, in der Sonntagsnachmittagsvorstellung,weil das die Vorstellung ist, in die man mit Kind halt so geht. Da saß man also, in Das große Krabbeln oder in Ein Schweinchen namens Babe, und genoss den Abspann, weil man gelernt hat, Abspänne zu genießen, seit das Privatfernsehen sie hastig im nächsten Werbeblock zu versenken begannen. Und wenn das Kino dann schon fast leer und der Abspann bei „musical score“ oder „theme song“ angelangt war, tauchte wieder mal sein Name auf. Und man erinnerte sich kurz an „Sail Away“ und „Rednecks“ und „Baltimore“ und all die anderen großartigen Songs, die der Mann unter diesem Namen geschrieben und gesungen hat. Und fragte sich wieder mal: Was macht Randy Newman eigentlich so den lieben langen Tag, wenn er nicht gerade die eine oder andere Filmmusik komponiert?

Zwanzig Jahre, wie eine Stadtzeitschrift falsch notierte, war Newman als Album-Songkünstler in eigener Sache freilich nicht gleich von der Bildfläche verschwunden. Aber der Fauxpas erscheint symp-tomatisch. Die 80er-Jahre brachten zwar noch die Freeway-Hymne „I Love L.A.“, aber dann nur noch „Land Of Dreams“, 1988 sein bis dahin autobiografischstes Werk, mit liebevoll-detaillierten Reminiszenzen an die frühe Kindheit in New Orleans (und leider auch seltsam verunglückten Rap-Persiflagen). Damals noch war es fast so unvorstellbar wie eine Mondlandung in den 20er-Jahren, dass Randy Newman je ein Album für ein anderes Label als Reprise bzw. die Warner-Brüder machen könnte.

Heute sind die Warner-Brüder im Schlund eines neureichen Internet-Emporkömmlings entschwunden, und die, die Newman dort einst gegen alles und jeden protegierten, nämlich Lenny Waronker und Mo Ostin, hatte man schon vor dem großen Fusions-Fieber ent-sorgt. Dass Newman jetzt als Albumkünstler mit Bad Love ausgerechnet in der Spielberg-Firma Dreamworks weitermachen darf, passt auch deshalb gut ins Bild, weil die Bilderabteilung dieser Firma gerade mit American Beauty einen Film vermarktet, der geradezu dürstet nach einem Newman-Song – so wie Kevin Spacey nach Leben dürstet (oder dem, was er einst dafür hielt).

American Beauty hat sogar eine Newman-Komposition, allerdings nur von Thomas Newman. Das ist der Cousin von Randy, der auf Bad Love bravourös und exemplarisch die wichtigsten Stränge seiner Songwriter-Karriere aufgreift, in ebenso genauen wie effektiv überzeichneten Arrangements. Da sind die erschütternden Liebeslieder („Everytime It Rains“, „I Miss You“), da ist der Kübel Hohn & Spott, den er diesmal über dem Rock-Zirkus peinlich alternder Lederhosenträger ausgießt („I'm Dead But I Don't Know It“). „My Country“ vereint die Nation ein letztes Mal vor dem Fernseher – und lüftet zugleich das Geheimnis der Abwesenheit seines Autoren.

„Ich habe“, so Newman, „tatsächlich einen Teil meines Lebens vor dem Fernseher verplempert“. Das sei „lächerlich“, ja, er „schäme“ sich gar dafür, habe sich „selber im Wege gestanden“. Newman: „Ein paar Jahre lang nahm ich Ko-dein, saß am Pool und plauderte mit dem Gärtner.“ Und der hat unterdessen natürlich auch nicht die Revolution ausgerufen. „The World Isn't Fair“ präsentiert Newman im Dialog mit Karl Marx, der doch langsam mal zur Kenntnis nehmen müsse, dass die hässlichsten Männer oft die schöns-ten Frauen kriegen (denn „It's Money That Matters“, wie Newman schon früher erkannte).

Natürlich ist Newmans aberwitzige Songkunst immer politischer gewesen als das Gros dessen, was sich selbst als politisch definierte. Und man kann ihn vielleicht auch als eine Art letzte Ikone des amerikanischen Liberalismus betrachten. Zu bedenken bleibt dabei aber, dass gerade die, die sich „liberal“ dünken und damit nur political correctness meinen, größere Probleme mit ihm gehabt haben dürften als der gemeine Redneck aus Birmingham, Alabama.

Die Gretchenfrage blieb ja immer: Verachtet Newman die Menschen oder ist er doch ein Huma-nist? Seine Botschaft ist der letzte Song des neuen Albums: „I Want Everyone To Like Me“. Selbst Randy Newman will letztlich nur geliebt werden. Wenn das nicht tröstlich ist.

Do, 17. Februar, 20 Uhr, CCH2