Horrortrip durch die Wüste im Kopf

■ Tödliche Kollision der Realitätsebenen: Warum ausgerechnet Nicolas Stemann im Malersaal die Uraufführung von Albert Ostermaiers Death Valley Junction übernimmt

„Im Gegensatz zu meinen Stü-cken, die wie Lyrik erscheinen, funktionieren meine Gedichte wie kleine Theaterstücke“, sagte Albert Ostermaier in einem Interview in der August-'97-Ausgabe von Theater heute. Die neueste Wendung im Genregrenzen auflösenden Werk des 32-jährigen Münchners ist aber diese: Während er seinen jüngsten Gedichtband, Heartcore (siehe auch Seite 23), im Januar im Marstall-Theater tatsächlich auf die Bühne hieven ließ, operiert er in seinem neuen, sechsten Stück Death Valley Junction nicht nur mit korrekter Groß- und Kleinschreibung und Interpunktion (wo sich sonst alle wörter duckten ohne punkt & komma), sondern es führen sogar (fast) richtige Figuren in einem (beinahe) naturalistischen Setting (annähernd) realistische Dialoge, in die sich nurmehr selten lyrische Partikel verirren.

Seit seinem (verspäteten) Brecht-Jahr-Beitrag The Making Of. B.-Movie (1999) ist Ostermaier konventionell spielbar geworden, jedenfalls oberflächlich betrachtet. Und wenn jetzt ausgerechnet ein Regisseur wie Nicolas Stemann, der in der Vergangenheit noch jeden „richtigen“ Theaterstoff – besonders die klassischen – kurz und klein gekriegt hat, sich im Maler-saal eine Ostermaier-Uraufführung vornimmt, verspricht das eine schwer theaterdiskursive Veranstaltung zu werden.

Death Valley Junction kommt über den Ort zur Handlung, die von „Dante's View“, dem höchsten Punkt im Valley, über den von Antonionis Film mythisch aufgeladenen „Zabriskie Point“ und „Badwater“, dem tiefsten Punkt, kreisförmig zur Ausgangssituation zurück verläuft. Der Wüstenausflug von Desmond und Valery wird für Desmond zum Horrortrip, in dem Valery Regie zu führen scheint. Das Handy ist tot, der Tank leer, das Wasser alle, und im Kofferraum liegt eine Leiche, die Desmonds Sachen trägt. Dann taucht eine zu jedweder Gewalt bereite Motorradgang auf. Desmond fühlt sich latent für irgendetwas schuldig, kann aber die grausamen Ereignisse um ihn herum nicht auf seine eigene Realität zurückführen. Valery schießt ihm schließlich ins Knie und lässt ihn sterben – und der Film beginnt von vorn.

Stemann allerdings hat im Vorfeld angekündigt, das Wüs-tenszenario zu ignorieren und die ablaufenden Geschichten in die Köpfe der Figuren zurückzuverlagern. Den 31-jährigen Regisseur reizen an dem Stück vor allem die kollidierenden Realitätsebenen und die Tatsache der Inszenierung. Was wiederum ganz im Sinne von Ostermaier ist. Mithin steht ein interessanter Abend bevor.

Ralf Poerschke

Premiere: So, 20. Februar, 20 Uhr, Malersaal