Filmstarts à la carte
: Raumschiff der Obsessionen

„Der Regisseur ist ein Mann, dem man unaufhörlich Fragen stellt. Manchmal kennt er die Antwort, aber nicht immer“, lässt François Truffaut den von ihm selbst verkörperten Filmemacher in „Die amerikanische Nacht“ sagen. In Federico Fellinis autobiografisch angehauchtem „8 1/2“ besitzt der Filmregisseur Guido (Marcello Mastroianni) hingegen gar keine Antworten. Auch ihn bedrängen unentwegt Schauspieler, Produzenten und Dekorateure, ohne dass er in der Lage wäre, klare Anweisungen zu geben oder Entscheidungen zu treffen. Denn die verschwommenen Ideen in seinem Gehirn wollen sich nicht zu einem kohärenten Ganzen formen, und auch mit den Frauen hat Guido zur Zeit nichts als Ärger. Und so flüchtet er sich bei einer Kur im Thermalbad in Kindheitserinnerungen und absurde Wunschträume: vom Karninal, der ihn inspirieren soll (äBereue, und du wirst es nicht bereuenô), bis zum Harem, in den er als Peitschen schwingender Meister sämtliche Frauen, die er in seinem Leben begehrt hat, imaginiert. So wenig die vielen Fantasien Guido helfen, seinen Film mit einem riesigen Raumschiff zu beenden, so sehr dienen sie Fellini, der hier auch seine Probleme mit der Fertigstellung von „8 1/2“ beschreibt, eigene Obsessionen wie die surreale Zirkusatmosphäre und eine sehr spezifische Mischung aus Katholizismus, Sex und Schuldgefühlen unterzubringen. Das Filmmuseum Potsdam zeigt „8 1/2“ als einen Wunschfilm des britischen Komponisten Michael Nyman, der dort am 18.2. anläßlich eines Workshops weilt. Eine Auswahl, die wohl nicht zuletzt auch auf die faszinierende Musik von Fellinis Hauskomponisten Nino Rota zurückgeht.

„8 1/2“ 23.2. im Filmmuseum Potsdam

Noch ein berühmter Komponist: Von Hanns Eisler stammt die Musik zu Alain Resnais‘ eindringlichem KZ-Film „Nacht und Nebel“. Zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hat der französische Regisseur die Orte des Schreckens noch einmal aufgesucht und lässt seine Farbkamera beharrlich an Krematoriumsöfen und verfallenen Baracken vorbeigleiten. Dabei findet er eine Landschaft der Unkultur vor, über die bereits langsam das Gras wächst. Dazwischen schneidet Resnais die schwarzweißen Fotos und Filmmaterialien, die direkt nach der Befreiung aufgenommen wurden: Bilder von Leichenbergen und unvorstellbar leidenden Häftlingen, den Opfern von Zwangsarbeit und medizinischen Experimenten. Ein Diskurs wider das Vergessen.

“Nacht und Nebel“ 22.2. im Filmrauschpalast (freier Eintritt)

Wie zu Beginn seiner Karriere in „Ein andalusischer Hund“ und „Das goldene Zeitalter“ erzählt Luis Buñuel auch in seinem Spätwerk „Das Gespenst der Freiheit“ keine durchgehende Geschichte. In locker verbundenen Episoden verkehrt der spanische Regisseur die Rituale der bürgerlichen Gesellschaft ins Gegenteil und führt sie ad absurdum. Am bekanntesten (und lustigsten) ist vermutlich jene Sequenz, in der sich eine Abendgesellschaft zu Tisch begibt: Auf einem Klosett sitzend, geht man seinen Geschäften nach und plaudert über die Produktion menschlicher Exkremente. Später wird das Hausmädchen verschämt nach dem Speisezimmer gefragt, das sich sodann als unwirtliche kleine Kammer am hintersten Ende des Flurs herausstellt. Wer sich in Buñuels Universum ein wenig auskennt, wird auch eine ganze Reihe seiner persönlichen Obsessionen wiedererkennen: die Faszination für Spinnen, den Haß auf Ärzte und die fetischistische Erotik.

„Das Gespenst der Freiheit“ 19.2.-23.2. im Lichtblick-Kino

Lars Penning