„Ein Zufallsnazi“

■ Errol Morris hat für „Mr. Death“ (Panorma) den Auschwitzleugner Fred A. Leuchter gefilmt

taz: Herr Morris, waren Sie erstaunt, als Sie das erste Mal Fred A. Leuchter, dem Exekutionsspezialisten und Holocaust-Leugner, begegneten und dabei kein Monster trafen, sondern einen recht sympathischen Mann?

Errol Morris: Ich würde es anders sagen. Ich glaube, die Überraschung lag darin, dass er nicht komplett unsympathisch war. Und das offensichtliche Fehlen ideologischer Härte ist besonders irritierend. Seine Geschichte würde sehr viel mehr Sinn machen, wenn er ein rechter Ideologe wäre.

Welches Ziel haben Sie mit Ihrem Projekt verfolgt, den Mann zu porträtieren, der sich als Ingenieur elektrischer Stühle ebenso einen Namen gemacht hat wie als Autor des so genannten „Leuchter-Reports“, in dem die Existenz von Gaskammern in Auschwitz verneint wird?

Ich wollte einfach diese merkwürdige Geschichte eines Bad Guy erzählen, der versucht uns und sich selbst zu erklären, wer er ist. Ich war von diesem Rätsel gefangen genommen, denn mir erscheint es als ein Rätsel, wer dieser Mann ist. Wer ist er, und warum tut er, was er tut?

Wie oft haben Sie Fred A. Leuchter getroffen?

Der Eindruck, den man durch den Film erhält, dass ich eine Menge Zeit mit ihm verbracht hätte, ist nicht ganz richtig. Zunächst gab es da ein Interview, das ich vor Jahren mit ihm gemacht habe, im Laufe eines Tages. Und dann folgte jetzt ein weiteres Interview, das ebenfalls einen Tag dauerte. Ich habe also nicht wirklich viel Zeit mit ihm persönlich verbracht. Aber ich habe ihn natürlich während des Filmschnitts wieder und wieder beobachtet und gesehen.

Wenn man sich Ihren Film anschaut, würden Sie dem zustimmen, dass Leuchter ein zu individueller, zu bizarrer Fall ist, um paradigmatisch für den Charakter des üblichen Holocaust-Leugners und des gewöhnlichen Neonazis zu sein?

Ja, das habe ich einer Reihe von Besprechungen meines Films gelesen: Errol Morris möchte, dass wir denken, wir seien alle wie Fred Leuchter. Aber das sind wir nicht. Leuchter ist ein einzigartiger Fall, der wenig über uns zu sagen hat. Und es stimmt, Fred ist in vieler Hinsicht nicht wie wir.

Aber ich denke, in einer ganz wichtigen Hinsicht ist er wie die meisten anderen Leute. Und zwar darin, sich selbst als einen guten, anständigen Menschen zu sehen, egal wie irregeführt und entsetzlich das ist, was er tut. Es ist ihm an jedem Punkt möglich, sich als Held zu sehen. Das ist wirklich bemerkenswert.

Diese selbstgerechte Haltung würde ich normalen Leuten eher weniger zuschreiben, sicher aber Holocaust-Leugnern, denken Sie nicht?

Ich weiß nicht, ob das wirklich Holocaust-Leugner auszeichnet. Im Film gibt es ja drei Typen des Leugners, Zündel, Irving und Fred A. Leuchter. Ich denke manchmal, Ernst Zündel ist der freundliche und entgegenkommende Nazi, David Irving der pedantische, der pseudoaristokratische Nazi und Leuchter, das ist der Nazi aus Zufall.

Jedenfalls vertritt er in Ihrem Film keine dezidiert faschistische oder nationalsozialistische Ideologie.

Ja, das ist richtig. Aber es bleibt die zentrale Frage: Was treibt ihn eigentlich um? Die einfache Erklärung lautet: Er ist ein Nazi. Es gibt diesen wichtigen Satz im Film, dass die Nazis die ersten Holocaust-Leugner waren. Ich habe mich immer gefragt, was in ihren Köpfen vorgeht. Wussten sie, dass sie ein Verbechen begehen, das sie gleichzeitig als richtig rechtfertigten? Nach dem Eichmann-Prozess und dem berühmten Essay von Hannah Arendt haben wir uns daran gewöhnt, diesen bürokratischen Typ des Bösen als den typischen Leugner des Holocausts zu sehen. Aber Leuchter ist überhaupt nicht dieser Typ. Er ist ein Enthusiast. Ich nenne den Film manchmal eine Liebesgeschichte. Eine Liebesgeschichte mit dem Tod. Er ist Tristan und der elektrische Stuhl ist Isolde.

Ja, mir scheint, er verhält sich zu Auschwitz wie zur Todesstrafe und ihrem Vollzug fürchterlich naiv, idiotisch, er ist eigentlich ein Depp.

Etwas ist wirklich rätselhaft an ihm. Es ist leicht zu sagen, er sei ein Nazi. Ich glaube, mein bester Versuch, ihn zu erklären, ist die Annahme, dass er den Tod besitzen möchte. Er möchte der Arbeiter sein, er sieht sich als Herr des Todes. Nicht in dem Sinne, wer leben soll und wer sterben soll, aber in dem Sinne, wie Leute leben und vor allem aber, wie sie sterben sollen. Darüber möchte er die Kontrolle haben, in Amerika und retrospektiv auch in Polen.Interview: Brigitte Werneburg

„Mr. Death: The Rise and Fall of Fred A. Leuchter Jr.“. Regie: Errol Morris. USA 1999, 91 Min. Heute, 17.45 Uhr und 18. 2., 20.15 Uhr im CinemaxX 8, 19. 2., 14.30 Uhr, International