Ron Sommers Versprechungen

■ Die Telekom kündigt einen Pauschaltarif für den Internetzugang an

Ron Sommers Pressekonferenz zum Jahresbeginn ist ein Ritual. Der Chef der Telekom verspricht Besserung seiner notorischen Preispolitik, gibt globale Pläne bekannt und kann nicht verstehen, was seine Kritiker dagegen einzuwenden haben.

Was die Internationalisierung betrifft, so konnte die Telekom gestern den gelungenen Ankauf des französischen Großproviders „Club“ verkünden. Die Börse reagierte freundlich, aber der Zukauf der Nummer drei auf dem französischen Markt kann den Bruch der Allianz mit France Télécom nicht wettmachen, den Sommer letztes Jahr durch sein ebenfalls gescheitertes Kaufangbeot an die italienische Telekom heraufbeschwor. In seiner Frühjahrsrede vom Freitag hielt er sich dann doch lieber an inländische Themen. Er kündigte eine, wie er es nennt, „Internetoffensive“ an, die schon in den nächsten Tagen unter dem Motto „Deutschland geht online“ beginne.

Nach jüngsten Statistiken sind etwa 17 Millionen Nutzer des Internets, etwa 40 Prozent davon Frauen, in Deutschland dieser Parole bereits gefolgt, aber lediglich etwa 4 Millionen nutzen dazu die Telekom-Tochter T-Online, die Sommer in diesem April an die Börse bringen will. Nur sieht seine Internetabteilung noch immer nicht wie eines jener kreativen Start-up-Unternehmen aus, die am Neuen Mark Furore machen. Der Chef muss schon etwas mehr bieten, und so zauberte er einen Begriff aus dem Ärmel, den er bislang mit Abscheu von sich gewiesen hatte: Sommer versprach nicht weniger als eine „Flat Rate“ für den Internetzugang.

Das Modewort ist im deutschen schlicht mit „Pauschaltarif“ zu übersetzen. Für „weniger als 100 Mark“, sagte Sommer, könnten die Kunden von T-Online „noch in diesem Jahr“ im Internet surfen, so lange sie wollten. Konkreter mochte er aus gutem Grund nicht werden. Das Angebot, das nach einer Sensation und nach dem lange herbeigesehnten Durchbruch an der Preisfront klingt, hat seine Haken. Denn die Telekom will die Pauschale nur ihren eigenen Kunden anbieten. „Das ist unser Produkt“, meint der Telekom-Sprecher Ulrich Lissek. „In einem freien Markt“, hat er auswendig gelernt, könne nun mal jeder seine Preise selbst machen.

Eben nicht, und Sommer weiß genau, dass die Bonner Regulierungsbehörde sich der treuherzigen Meinung seines Sprechers wohl kaum anschließen wird. Die Telekom besitzt ein faktisches Monopol für die letzte Meile zum Privathaushalt, und die Preise, die sie dort berechnet, diktieren ihren Konkurrenten die Kalkulation. Auch Internetprovider, die für ihre eigene Dienstleitung schon lange Pauschaltarife berechnen, konnten dieses Angebot bisher nicht auf die Telefongebühren ausdehnen – private Vielsurfer kommen monatlich locker auf dreistellige Summen, die sie an die Telekom abführen müssen.

Keinem Provider ist es bisher gelungen, mit der Telekom für seine Kunden Tarife auszuhandeln, die es ihm erlaubten, ihnen eine Pauschale „unter 100 Mark“ anzubieten. Ein Sprecher der Regulierungsbehörde wundert sich deshalb bereits, warum noch kein Konkurrent der Telekom Beschwerde dagegen eingelegt hat, dass der Tochter T-Online nun offenbar weit günstigere Bedingungen eingeräumt werden sollen – das Amt ist eigens gegründet worden, um der Telekom solche Monopolpraktiken zu untersagen.

Am Dienstag schalteten Bertelsmann und AOL-Europe Anzeigen in mehreren Tageszeitungen, in denen gleich Bundeskanzler Gerhard Schröder aufgefordert wird, ein Machtwort zu sprechen. „Die Monopolstrukturen der Telekom dürfen sich nicht im Internetmarkt fortsetzen“, sagte ein Sprecher von AOL und rechnete vor, dass die Telekom ihre Kunden offenbar selbst dann noch abzocken wolle, wenn sie konkurrenzlos günstige Preise verlange. Die Pauschale, die AOL in den USA berechne, liege bei „22 Dollar“.

Noch hat die Telekom keine konkreten Zahlen genannt. Sobald sie vorliegen, ist mit Beschwerden nicht nur von AOL, sondern auch von mehreren anderen Providern zu rechnen. In einem Interview mit dem Online-Nachrichtendienst de.internet.com weist ein Sprecher der zu einem dänischen Netzanbieter gehörenden Firma Talkline darauf hin, dass man bereits „gute Erfahrungen“ mit solchen Sammelklagen habe.

Von den Frühjahrsversprechen wird im Herbst nicht mehr viel übrig bleiben. Auch die Kunden von T-Online werden nicht mit einer allgemeinen Pauschale ins Internet aufbrechen können, und vorsorglich hat Ron Sommer schon genannt, was er ersatzweise anbieten will: eine Pauschale von 5 Mark, mit der Freizeitsurfer jeweils einen ganzen Sonntag lang im Netz hängen können, und die Nutzung des so genannten Steuerkanals der ISDN-Anschlüsse als Standleitung zum Monatspreis von 10 Mark. Die Leistung des „D-Kanals“ ist so gering, dass die Regulierungsbehörde gegen dieses Sonderangebot wahrscheilich so wenig einwenden kann wie gegen eine reine Freizeitpauschale – und ganz sicher wird sie auch bestehen lassen, was Sommer als Werbegeschenk dieses Jahres versprach: Die Telekom wird sämtliche Schulen kostenlos ans Netz anschließen.

Niklaus Hablützel

niklaus@taz.de