Hier spart der Senator höchstpersönlich

■ Im Senat will Kultursenator Bernt Schulte (CDU) gegen den Kulturkahlschlag gekämpft haben. „Das stimmt nicht“, sagt die SPD-Kulturpolitikerin Carmen Emigholz im taz-Interview

Die Kulturszene ist in den Streik getreten. Sie nimmt nicht mehr an Veranstaltungen der Kulturverwaltung teil und organisiert Unterschriftenaktionen. Grund ist der Senatsbeschluss vom 1. Februar, in dem die Landesregierung allen Einrichtungen das Vertrauen entzogen hat. Beruht diese Eskalation nur auf einem Missverständnis? Die Sprecherin der Kulturdeputation, Carmen Emigholz (SPD), antwortet.

taz: Warum ist die Situation zwischen Kultur, Politik und Verwaltung eskaliert?

Carmen Emigholz: Der Senatsbeschluss ist in der Wortwahl und Konzeption unglücklich und missverständlich gefasst. Und Kultursenator Schulte hat ihn öffentlich so ausgelegt, dass die Kulturszene den Beschluss zu Recht als Angriff auf ihre Existenz empfunden hat. Die Interpretation der Aufkündigung des Vertrauensschutzes ist eine dramatische Zuspitzung. Es ist ein Fehler, flächendeckend eine Verunsicherung zu organisieren, und Schulte hat durch seine öffentlichen Auftritte stark dazu beigetragen.

Aber der Senator hat gesagt, dass er die Senatsvorlage mehrfach umschreiben musste und der Senat darauf bestanden habe, darin Einrichtungen zu nennen, die geschlossen werden sollen. Und Schulte habe im Senat gesagt: „Das mache ich nicht.“

Das stimmt definitiv nicht. Schultes eigenes Ressort hat konkrete Kürzungs- und Übertragungsvorschläge gemacht. Und wir haben zusammen mit den Spitzen von Rathaus und Kulturressort dafür gesorgt, dass man das zu diesem Zeitpunkt nicht macht, um keine voreiligen Verunsicherungen zu erzeugen. An der Gestaltung der vorliegenden Letztfassung war ich aber nicht beteiligt. Ich kenne nur Zwischenstände.

Schulte hat vorgeschlagen, die Bürgerhäuser dem Sozialressort und die Filmförderung dem Wirtschaftsressort zuzuschlagen. Was ist davon aus kulturpolitischer Sicht zu halten?

Es macht keinen Sinn, das Kulturressort zu amputieren. Man muss vielmehr darstellen, dass dieses Ressort auch Querschnittsaufgaben erfüllt und es dadurch stärken. Der Senat hat erkannt, dass man die Kulturszene nicht alle zwei Jahre vor die Wand laufen lassen kann. In Gesprächen mit anderen Senatoren ist mir aber immer wieder gesagt worden: Wenn es mehr Geld für die Kultur geben soll, dann braucht man eine Begründung dafür, wie sich der Bereich konzeptionell weiterentwickeln soll. Die Kritik des Senats besteht nicht darin, dass der Fachsenator keine Schließungsvorschläge gemacht hat, sondern dass er bislang kein schlüssiges Entwicklungskonzept vorgelegt hat.

Was ist denn Ihr Konzept?

Meine Idee ist, dass wir allen Einrichtungen bis Mitte nächsten Jahres kompletten Vertrauensschutz gewähren sollten. Bis zum Winter muss eine Diskussion über die Profilierung der einzelnen Sparten in Form von Kulturentwicklungsgesprächen abgeschlossen sein, wobei man den Kulturschaffenden nicht zumuten kann, sich an der Schließung einzelner Einrichtungen zu beteiligen. Am Ende dieses Prozesses kann sich die Politik – je nach finanzieller Festsetzung des Senats – nicht davor drücken, Einzelfallentscheidungen zu fällen. Möglicherweise ergibt sich aus diesen Gesprächen ein größeres Optimierungspotenzial als das Szenario der Kulturmanagement-Gesellschaft kmb ausgewiesen hat. Aber wir werden die ganze Deckungslücke auch dadurch nicht schließen können.

Das klingt ganz nach sozialdemokratischer Konfliktlösung: Leute, wir müssen sparen, aber lasst es uns als Solidargemeinschaft tun. Wo ist der Unterschied zur flächendeckenden Kündigung des Vertrauensschutzes?

Wenn ich den Vertrauensschutz flächendeckend kündige, habe ich ein Chaos in der Stadt, das keine geordnete Diskussion mehr zulässt. Wenn wir aber sagen, wir sorgen für die Rahmenbedingungen für die nächsten zwei Jahre, kündigen dann Maßnahmen zur Kulturentwicklung an und erklären, es werden am Ende dieses Prozesses nur Einzelbescheide mit Schließungsankündigungen rausgehen, dann ist das keine Verunsicherung des ganzen Bereiches.

Aber potenziell kann jeder den Einzelbescheid bekommen?

Jeder kann den Einzelbescheid bekommen. Der Unterschied ist aber der: Wenn man diesen Spielraum hat, kann man rechtzeitig Vorsorge treffen und sich um die Übernahme durch andere Finanzierungsprogramme kümmern, wenn die bisherige Förderung nicht mehr greift. Ich will so viel Geld wie möglich für die Kultur auftreiben, aber dann muss man eine Vorstellung davon haben, wie sich der Bereich weiterentwickeln soll. Ich kämpfe dafür, dass wir eineinhalb Jahre Ruhe haben, was die Finanzfrage angeht. Es gibt Optimierungspotenziale, und die bedrohen die Bremer Kulturszene nicht existenziell. Man kann sich zum Beispiel fragen, ob wir in der Lage sind, die Zentralbibliothek auf den Weg zu bringen, Raumangebote konzentrieren und Sparkonzepte für Musik und freie Theater zu entwickeln. Ich kann zwar die Verunsicherung und Frustration in der Kulturszene vestehen. Aber auf der anderen Seite darf es auch nicht so sein, dass es schon verboten ist, über schnelle Maßnahmen nachzudenken.

Aber solche Umstrukturierungen kann man doch ohne weiteres anordnen. Das ist doch alles seit Jahren bekannt. Warum passiert nichts?

Weil es in dieser eskalierten Situation auch in der Kulturszene ein Verweigerungsklima gibt. Auch wir brauchen für positive Vorschläge den Rückhalt der Szene. Im Moment gibt es, auch bei der Initiative Anstoß, die Haltung: Wir müssen bei unserer Gegnerschaft zur Politik bleiben. Das halte ich für schwierig. Auf der anderen Seite soll der Senator konzeptionelle Ideen einbringen und keine Schließungsvorschläge machen. Es geht darum, den Bereich optimal zu organisieren. Und am Ende dieses Prozesses sagen wir zu Politikern der anderen Ressorts: Wollt Ihr wirklich diese oder jene Schließungsentscheidung treffen, obwohl wir den Bereich fortschrittlich organisiert haben?

Die Kulturszene hat schon mehrfach über ihre Profile Auskunft gegeben. Das müsste doch alles in der Kulturverwaltung bekannt sein. Wie wollen Sie die Leute aus den Einrichtungen jetzt zur Teilnahme an erneuten Kulturentwicklungsgesprächen bewegen? Die neue kmb könnte sich die Informationen doch einfach bei der Planungsabteilung im Kulturressort holen.

Aus der Kulturverwaltung sind in den letzten Jahren zum Teil unverständliche und unvollständige Vorlagen gekommen. Die schlechten Vorlagen haben aber in der Vergangenheit dazu geführt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Haushalts- und Finanzaussschuss auf der einen Seite und dem Kulturressort auf der anderen Seite nachhaltig gestört ist. Jetzt wird die Abteilung umstrukturiert, und ein Teil dieser neuen Strukturen ist die kmb. Die kmb liefert ganz nüchtern und zum Teil auch erschreckend das Zahlenmaterial, das auch von den Haushältern verstanden wird. Das vorgelegte und von der taz veröffentlichte Finanzszenario hat in den Köpfen der Politik mehr zum Positiven verändert als viele Sonntagsreden. Fragen: ck/zott

Fotos: Nikolai Wolff