Witze mit Angstschweiß

Aus Liebe zur Stand-up-Comedy: Milos Formans „Man on the Moon“ mit Jim Carrey im Wettbewerb ■ Von Kerstin Stolt

Der Film beginnt damit, dass er aufhört. Er habe alles rausgeschnitten, was ihm nicht gefallen habe, erklärt Jim Carrey alias Andy Kaufman, deshalb sei der Film jetzt vorbei. Und in der Tat, es folgt der Abspann. Hinterher steht zwar keiner auf und geht, aber eins ist schon mal klar: Der Film will nicht nur Kaufmans Lebensgeschichte erzählen, sondern auch Witze machen im Kaufman-Stil.

„Witze“ ist vielleicht nicht das richtige Wort. Denn obwohl Kaufman als Komiker gilt, hat er die Leute selten zum Lachen gebracht. Wer in seiner Fernsehshow Bildstörungen sendet, damit die Zuschauer denken, ihr Fernsehgerät sei nun endgültig kaputt, gehört wohl eher zur situationistischen Internationalen. Dass Kaufman seine Aktionen nie als Performance kennzeichnete, hat erst recht für Aufruhr gesorgt. Ob er Südstaatlern erklärte, wie man Toilettenpapier benutzt oder dem Wrestling-Meister Jerry Lawler in der „David Letterman Show“ seinen Kaffee ins Gesicht schüttete – kaum einer wusste zu sagen, ob Kaufmans Ausfälle Show waren oder nicht. Das machte ihn schließlich zum bestgehassten Entertainer Amerikas.

Als „Man on the Moon“ ist Kaufman dagegen vergleichsweise leicht ins Herz zu schließen. Denn Milos Foreman kann es sich natürlich nicht verkneifen, Kaufmans berühmteste Stunts endlich aufzuklären. Nur die letzte Szene – ein posthumer Auftritt – nährt die Gerüchte, dass Kaufmans früher Tod 1984 sein bisher gelungenstes Täuschungsmanöver war.

Ansonsten jedoch positioniert sich die Kamera gerne backstage, sodass man die Reaktionen des Publikums beobachten kann, ohne selbst dazuzugehören. Dass der Film nicht ganz und gar zum Kaufman-Act werden kann, hat allerdings gute Gründe: Die vollständige „Great Gatsby“-Lesung zum Beispiel würde den Film offenbar sprengen, und sie ist gerafft auch sehr viel lustiger, als sie dem damals doch recht ungehaltenen Publikum erschien. Im Gegensatz zu Kaufman verzichtet Foreman also darauf, die Zuschauer vollends zu verprellen; nach dem Abspann kommt eben doch der Film.

Dass „Man on the Moon“ dennoch zeigt, wie Humor in bodenlose Verwirrung und schließlich Terror übergeht, verdankt sich vor allem Jim Carrey, schon lange ein Kaufman-Verehrer und nun auch seine Reinkarnation. Wobei er gleich zwei Rollen spielt: Kaufman und dessen grimassierendes Geschöpf Tony Clifton, eine Entertainer-Karikatur, die das Publikum schon anekelte, als Kaufman noch als liebenswerter Tölpel in der Serie „Taxi“ auftrat. Am kaufmänischsten ist Carrey jedoch als angehender Stand-up-Comedian, der beim besten Willen keine Witze erzählen kann. Der so lange schweigend auf der Bühne steht, bis einem der Angstschweiß ausbricht und die Hilflosigkeit damit zu seiner ersten Nummer macht. Diese Szenen lassen die Nacherzählung weit hinter sich, sodass „Man on the Moon“ schließlich doch fast so unkomisch geworden ist, wie es sich für eine Kaufman-Adaption gehört. Und das muss man erst mal verkraften.„Man on the Moon“. Regie: Milos Forman. Mit: Jim Carrey, Danny DeVito, Courtney Love. USA, 102 Min. Heute, 13.30 Uhr und 19.30 Uhr, Berlinale Palast; 19. 2., 23.30 Uhr, Royal Palast; 20. 2., 23 Uhr, International