HorizontaleFundstücke

Arbeiten von Sebastian Kusenberg und Gernot Lindner in der museumsakademie

Der Horizont steht zwar nicht Kopf, aber immerhin hochkant: Die Mitte des Bildes durchzieht ein heller Streifen, dessen Zentrum weißgrau ist. Rechts sieht man nur schemenhaft Bäume im türkisfarbenen Nebel, links Buschwerk, es könnten aber auch Wolkenberge sein. Dann folgt beiderseits viel farbliches Nichts.

Das Bild, das aus zwei Prints besteht, trägt den technisch anmutenden Namen „H 64“. Damit gibt Gernot Lindner einen Hinweis auf die Entstehung seiner fotografischen Arbeiten, die in der museumsakademie berlin zu sehen sind. Denn die meist zweiteiligen Fotografien des 40-Jährigen aus Oberfranken entstehen aus seinem Archiv heraus, das derzeit mehr als 2.500 Kleinbildaufnahmen umfasst.

Lindner fotografiert architektonische Elemente, Farbwechsel, Lichtstimmungen und Landschaften. Alle Bilder landen im Archiv und werden mit einer Buchstaben-und-Ziffern-Kombination versehen.

Diese „fotografischen Fundstücke“ breitet er partiell im Atelier aus und trifft so aus immer noch hunderten von Aufnahmen eine Auswahl, die kompositorisch neu zusammengesetzt wird. Dazu fotografiert Gernot Lindner die Ausgangsfotos noch einmal, deckt Teile ab, montiert Prints und öffnet Raum für neue Bilderwelten. Und schon stellen sich Horizonte wie selbstverständlich senkrecht.

Diese „Montierte Natur“, so der Ausstellungstitel, entwickelt eine eigenwillige Sogwirkung, weil der Blick immer wieder in die helle, leuchtende Bildmitte gezogen wird, dazu die ruhigen Weiten: Ideal zum Träumen und Meditieren. Nur manchmal kommt die „montierte Natur“ alles andere als idyllisch daher. Dann wirkt das weite Grau bedrohlich, das intensive Rot apokalyptisch – durch Filter und Belichtung erzeugte Dramatik. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass alle Fotos wie mit dem Weichzeichner bearbeitet aussehen.

Ein Spiel mit Fiktion und Realität zeigt auch Sebastian Kusenberg mit seinen schwarzweißen Fotos, die im Séparée der museumsakademie ausgestellt sind. Die Serie „Native“ zeigt einen Mann, der im dichten Dschungel auf Bäume klettert, auf einer Wiese Purzelbäume schlägt und sich auf einem im Wasser liegenden Baum an was auch immer heranpirscht. Dabei ist das Umfeld gestochen scharf, nur der Handelnde ist unscharf, ja so verschwommen, dass manchmal nur noch die Hände und Füße zu erkennen sind, der Rest des Körpers scheint in der Bewegung aufgelöst.

Man sieht hier nicht irgendein Modell, sondern den Künstler selbst, der sich mittels Luftdruckfernauslöser bei einer Belichtungszeit von einer Minute im heimischen Gefilden aufgenommen hat. Also nichts mit Dschungelbuch und wildem Wolfskind, aber viel Spiel mit Licht und Schatten, Schärfe und Unschärfe, Tiefe und Oberfläche, das auf dem Barytpapier äußerst plastisch wirkt.

Bei so viel Natur noch diese schöne Nachricht: Die Öffnungszeiten der museumsakademie berlin sind zurzeit eingeschränkt, denn Galeristin Helen Adkins ist Mutter geworden und hat einen Sohn geboren. Glückwunsch!Andreas HergethBis 18. März, Dienstag bis Donnerstag 17 – 19 Uhr; Freitag und Samstag 14 – 19 Uhr, museumsakademie berlin, Rosenthaler Straße 39