Wie hält’s Polen mit den Menschenrechten?

betr.: „Polen: Eigentumsfrage erschwert EU-Beitritt“, taz vom 11. 2. 00

Eine knappe Meldung. Der EU-Beitritt Polens soll durch die Frage der Entschädigung des jüdischen Eigentums erschwert werden. Nichts kann man sich mehr wünschen, als dass diese Problematik endlich wirkungsvoll angefasst wird. Polen hat es in den letzten zehn Jahren verstanden, die Aufmerksamkeit von dieser Seite seiner Geschichte und Gegenwart geschickt abzulenken und sich vorwiegend auf der Schiene der wirtschaftlichen Erfolge als ein EU-Beitrittskandidat zu empfehlen. [...]

Das neueste Gesetz zur Frage des Anspruchs auf Rückgabe beziehungsweise Entschädigung des Eigentums von Juden in Polen macht zur Bedingung, dass erstens der Antragssteller polnischer Staatsbürger sein und zweitens einen Wohnsitz in Polen haben muss. Größer kann der Zynismus nicht sein, wenn man bedenkt, dass Juden in Polen in der Nachkriegszeit kontinuierlich verfolgt und vertrieben wurden und automatisch ihre Staatsbürgerschaft verloren. Hier wird eindeutig darauf spekuliert, dass kaum jemand bereit sein wird, nach Jahrzehnten der Emigration nach Polen zurückzukommen und den Antrag auf die Rückgabe der Staatsbürgerschaft zu stellen, zumal Schweden und Dänemark, die einen beträchtlichen Teil der Emigranten von 1968/69 aufnahmen, eine Doppelstaatsbürgerschaft untersagen.

Und kaum jemand wird bereit sein, in ein Land zu kommen, in dem der Antisemitismus im Alltag permanent präsent ist. Ganz Polen ist von antisemitischen Graffitis übersät, ohne dass sich die Behörden zum Eingreifen veranlasst sehen. [...] Und überall, auch in seriösen Buchhandlungen, werden die übelsten Antisemitika angeboten.

Des Weiteren wird darauf spekuliert, dass sich das Thema, über Jahre und Jahrzehnte verschleppt, auf natürlichem Wege durch das Wegsterben der potenziellen Antragsteller erledigt. Zudem fallen erhebliche Kosten im Vorfeld der Bemühungen der Antragsteller an und die Verfahren mit ungewissem Ausgang werden schikanös in die Länge gezogen.

Während sich alle Welt zu Recht über Haider und Österreich aufregt (ein EU-Mitglied), schauen EU-Institutionen im Falle der EU-Beitrittskandidaten (Polen, Ungarn und andere) großzügig hinweg. Die in Wien ansässige EU-Beobachtungsstelle zu Fragen des Rassismus und Xenophobie, die ihr Augenmerk gerade auf die EU-Beitrittskandidaten richten soll, ist in dieser Hinsicht inaktiv. Man lässt sich von den offiziellen Vertretern Polens bestätigen, dass es dort kein Antisemitismusproblem gibt. Das Gleiche betrifft auch Sinti und Roma, die 1962 von heute auf morgen in Polen brutal sesshaft gemacht worden sind.

In nur wenigen Jahren wird Polen EU-Mitglied. Die EU wird in ihrer Mitte Länder haben, die zwar gute Wirtschaftsdaten vorweisen können, die aber im Hinblick auf die Problematik der Menschenrechte weit hinter die jetztige österreichische Realität zurückfallen. [...]

Janusz Bodek