Industrie und Länder blockieren Elektroschrottverordnung
: Kein Vorbild in Europa

Das Beispiel Altautoverordnung hat Schule gemacht. Im letzten Moment hatten deutsche Autoindustrie und Kanzler Schröder die Verordnung verwässert. Das versucht nun auch die Elektroindustrie: Eigentlich hatte sie einem Kompromiss im vergangenen Jahr schon zugestimmt. Doch die Posse um die Altautos brachte die Industrie auf den Geschmack: Sie zog ihre Zusage zurück, und die Wirtschaftsminister einiger Bundesländer blockieren ebenso.

Dabei hatten die Umweltministerien von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Bund mühsam mit der Industrie einen Kompromiss ausgehandelt. Einzelne kleine Verbände der Elektroindustrie wurden von den anderen in die Pflicht genommen, die ebenfalls endlich eine Regelung wollten. Die Umweltministerien machten große Zugeständnisse, um nach acht Jahren zähem Ringen endlich eine Einigung zu haben. Doch was nützt das, wenn ein wirtschaftshöriger Kanzler oder Wirtschaftsministerien der Länder die Standards hintertreiben? Wenn sie auf die kleinsten Bedenken selbst einer Minderheit der Industrie eingehen? So werden wir kaputte Rasierer und Kofferradios wohl noch eine Weile in den Hausmüll werfen müssen. Alles deutet darauf hin, dass die Blockierer im Bundesrat Erfolg haben werden: Sie müssen nur bis Ende März verzögern, dann will die EU-Kommission ihren Entwurf für eine solche Verordnung vorlegen – und Deutschland darf keine nationale Regelung mehr verabschieden. Eine Einigung der EU-Staaten jedoch wird es nicht vor 2004 geben. Das freut die Industrie, denn sie muss bis dann keine Verantwortung für ihre Produkte übernehmen – und spart Geld.

Ein Scheitern der deutschen Regelung hat auch politische Konsequenzen: Eine strenge deutsche Verordnung hätte sicher eine Vorbildfunktion in der EU. Denn die Konfliktpunkte sind dieselben wie hier zu Lande: Wer nimmt die bereits vor Inkrafttreten einer Verordnung gekauften Geräte zurück? Und wer zahlt fürs Einsammeln und Entsorgen?

In so einer Situation hat die Wirtschaft überhaupt nichts mehr zu fürchten. Das Gerede der Politiker von Globalisierung entpuppt sich als Scheinargument. Es ist offenbar nicht mehr angesagt, die Unternehmen für ihr Handeln zur Verantwortung zu ziehen. Dies ist der Ausverkauf der Politik. Und wieder einmal betrifft er auch rot-grüne Regierungen. So gehören auch die (sozialdemokratischen) Wirtschaftsminister von Hamburg und Nordrhein-Westfalen zu den Blockierern im Bundesrat. Matthias Urbach