Irans starker Mann meldet sich zurück

Der ehemalige Präsident Rafsandschani kandidiert für das Parlament und will noch höher hinaus

Berlin (taz) – Er gilt als der starke Mann der Islamischen Republik. Der Einzug von Ex-Präsident Hodschatolislam Ali Akbar Haschemi Rafsandschani ist so sicher wie das „Allah“ in der Moschee. Kein anderer Geistlicher hat in den vergangenen 20 Jahren von der Macht so profitiert wie die graue Eminenz. Vor zweieinhalb Jahren, nach seiner nach zwei Amtszeiten verfassungsgemäß zwingenden Ablösung als Staatspräsident, hatte er noch erklärt: „Ich werde nicht mehr aktiv auf der politischen Bühne präsent sein, sondern den jungen Menschen dazu Gelegenheit geben.“ Nun drängt der doch noch einmal nach vorne.

„Als ich aus dem Präsidentenamt schied, dachte ich, das System erfreue sich relativer Stabilität, es bestünde keine Notwendigkeit mehr für meine Anleitungen“, erklärt er seinen Gesinnungswandel. Aber er habe nicht gedacht, „dass sich die Dinge so entwickeln würden“. Doch der durch das Pistaziengeschäft reich gewordenene Multimillionär Rafsandschani, der sich gern als Wirtschaftsexperte darstellt, will nicht wahrhaben, dass er mit seinen zögerlichen Reformplänen, vor allem im Wirtschaftsbereich, scheiterte.

1934 geboren, ging er als Zwanzigjähriger an die theologische Hochschule nach Qom . Dort erwarb er bei seinem Lehrer Ajatollah Chomeini den theologischen Grad eines Hodschatolislam – einer Vorstufe zum Ajatollah. Nach dem Studium stieg er zum Organisator der klerikalen Anti-Schah -Bewegung auf. Das brachte ihm zwei Jahre Haft ein.

Nach der Revolution bahnte er sich mit einer Mischung aus Machtbewusstsein, Bauernschläue, staatsmännischem Geschick, Demagogie und Sachkenntnis seinen Weg an die Spitze des Regimes. Solange Chomeini lebte, gab sich Rafsandschani als treuer Einpeitscher auf die „Linie des Imam“ – egal, wie die gerade aussah . Hinter der Kulissen jedoch betrieb er differenziert Politik, die geschickt zwischen den Fronten lavierte, offene Auseinandersetzungen vermied und denKompromiss suchte. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Die Konservativen haben bis jetzt durch ihre Parlamentsmehrheit den Einfluss von Staatspräsident Chatami klein gehalten. Diese Aufgabe soll nun Rafsandschani übernehmen. Es gilt als sicher, dass er Parlamentspräsident werden will. Wofür er politisch steht, ist oft schwer auszumachen. Er bietet einen Bauchladen von Positionen, aus dem sich jeder bedienen kann. Mit der Bekanntgabe seiner Kandidatur ist der Kampf der politischen Kräfte noch verbissener geworden. Er findet nicht nur zwischen Reformern und Konservativen statt, sondern auch innerhalb des Reformlagers um Chatami. Vermutlich wird er seinen jetzigen Job als Vorsitzender des „Feststellungsrates“ mit Parlamentspräsident Ali Akbar Natek Nuri tauschen. Er selbst bestreitet jedoch jegliche Mauschelei. Der Tageszeitung Sobh-e Emrus sagte er: „Ich finde das kindisch. Alles hängt von der Meinung der gewählten Abgeordneten ab.“

Die „Statthalterschaft der Rechtsgelehrten“, die Grundlage der iranischen Theokratie, mit der einst Chomeini die beinahe uneingeschränkte Macht des Religiösen Führers begründete, bezeichnet Rafsandschani als „unwiderruflichen Bestandteil“ der Islamischen Republik – ungeachtet dessen, dass in reformorientierten Kreisen heute dieses Prinzip heftig diskutiert wird. Der Umstand, dass einige ihm nahe stehende Medien Rafsandschani inzwischen als Ajatollah bezeichnen, lässt vermuten, dass der noch höher hinaus will.

Kambiz Behbahani