Hektische Kleinanleger nerven Commerzbank

Bei der Zuteilung von neuen Aktien bevorzugt die viertgrößte deutsche Bank ab sofort reiche Kunden ■ Aus Berlin Hannes Koch

Bei der Zuteilung von neuen Aktien will die Commerzbank reiche KundInnen in Zukunft gegenüber KleinanlegerInnen bevorzugen. Das geht aus einer schriftlichen Anweisung der Frankfurter Zentrale des viertgrößten deutschen Bankhauses an ihre Filialen hervor. Bislang hatten alle Kundengruppen die gleichen Chancen, wenn die Commerzbank neue Aktien von jungen Unternehmen an die Börse brachte.

Das neue Verfahren soll erstmals beim Börsengang der Siemens-Tochter Infineon am kommenden Montag gelten. Das entsprechende Schreiben der Bank vom 10. Februar liegt der taz vor. Darin heißt es, dass die „Kundengruppen unterschiedliche Volumina“ neuer Aktien erhalten sollen, die sich am Umfang der schon vorhandenen Depots orientieren. Wer also schon viele Aktien auf seinem Depotkonto bei der Commerzbank liegen hat, kann eine größere Zuteilung bei Neuemissionen erwarten als solche KundInnen, die nur über einen kleinen Aktienbesitz verfügen.

Die Bank unterteilt ihre AktienkundInnen in Zukunft in drei Kategorien: „Individualkunden, Wertpapierspezialisten, Private-Banking-Kunden“. Die erste Gruppe besitzt im Durchschnitt Aktien in der Größenordnung von einigen tausend Mark, die zweite Gruppe einige hunderttausend Mark. Private-Banking-KundInnen nennen Aktienwerte in Millionenhöhe ihr Eigen.

Wenn die Depotsumme der kleinen KundInnen 50 Prozent des Aktienbestandes auf den Konten der Commerzbank ausmacht, bekommen diese InteressentInnen auch nur die Hälfte einer Neuemission. Für die zehn Prozent größten Depots werden in jedem Fall zehn Prozent reserviert. „Damit ist die Wahrscheinlichkeit für die wenigen Private-Banking-Kunden höher, Aktien zu bekommen“, sagte gestern ein Sprecher der Commerzbank.

Das habe nichts damit zu tun, „Reiche reicher zu machen“, heißt es bei der Bank. Das Institut erkenne vielmehr, dass Leute mit großem Aktienbesitz eher daran interessiert seien, ihr Geld langfristig anzulegen. Viele der neuen Kleinanleger betrachteten das Geschäft mit den Aktien dagegen eher als „Spiel“. Sie würden Anteile von irgendwelchen Internet-Firmen kaufen, den Kurs innerhalb von Tagen auf das Dreifache des Ausgabewertes hochtreiben und dann wieder verkaufen.

„Man muss den Run in den Griff bekommen“, so die Sprecherin. Die Commerzbank hält die spekulative Überbewertung mancher Aktien einerseits für gefährlich, andererseits scheut sie die damit verbundene Arbeit. Die Börsenneulinge „blockieren die Telefone in den Filialen“, heißt es.

Das Konkurrenz-Institut Deutsche Bank kenne keine derartige Bevorzugung solventer KundInnen, erklärt dagegen deren Sprecher Ronald Weichart: „Jeder soll die gleiche Chance haben.“

Parallel zu ihren Versuchen, den Aktienhandel einzudämmen, will die Commerzbank das Geschäft mit Firmenanteilen im Internet vorantreiben. Gestern gaben die Bank und die Deutsche Telekom AG bekannt, eine Allianz ihrer Töchter T-Online und comdirect bank AG ins Leben zu rufen. Commerzbank-Vorstandsmitglied Norbert Käsbeck betonte, dass beide Unternehmen demnächst an die Börse gingen. T-Online werde sich mit 25 Prozent, „bezogen auf die Beteiligungsverhältnisse vor deren Börsengang“, an der comdirect bank beteiligen. „Umgekehrt wird sich die Commerzbank mit demselben absoluten Betrag an T-Online beteiligen“, erläuterte er.

T-Online ist nach Angaben der Telekom mit 4,2 Millionen KundInnen der größte europäische Internet Service Provider. Die comdirect bank betreut nach eigenen Angaben rund 305.000 KundInnen.

Die Homepage der comdirect bank sei die mit Abstand meistbesuchte Finanzseite in ganz Europa, erklärte die Commerzbank.

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