Der Möllemann des Nordens

Wolfgang Kubicki, FDP-Spitzenkandidat für die Kieler Landtagswahl, hat ein Problem. Der machthungrige Meister der Beliebigkeit muss glaubhaft machen, dass er sich von den hessischen Parteifreunden unterscheidet ■ Von Heike Haarhoff

Kiel (taz) – Hans-Werner Blöcker und Wolfgang Kubicki kennen einander seit langem. Der eine ist Tiefbauunternehmer und Chef des Bau- und Industrieverbands in Schleswig-Holstein; der andere hat eine Kanzlei für Wirtschaftsstrafrecht und ist für eine Liechtensteiner Bank tätig, die sich gegen Geldwäschevorwürfe des BND wehrt, und bessert sein Gehalt nebenher als Fraktionschef der FDP im Kieler Landtag auf. Man berät sich über Unternehmensführung, teilt politische Ansichten: Staatseigene Betriebe gehören privatisiert, das Wissen von Schulabgängern ist gemeinhin mangelhaft. Umweltschutzauflagen der rot-grünen Landesregierung sind lästig, Verkehrsstaus eine Katastrophe, der am besten mit Autobahnausbau begegnet wird. In der Freizeit treffen sich die beiden zum Tennis.

Doch an diesem Morgen, Blöcker hat zu einer Firmenbesichtigung eingeladen, verwechselt Kubicki seinen Gastgeber plötzlich, redet ihn mit falschem Namen an, schrickt zusammen: „Sie müssen mir das nachsehen.“

Wolfgang Kubicki wirkt dieser Tage abwesend. Der Mann, der im schleswig-holsteinischen Landtag als einer der schärfsten Rhetoriker gilt und am Sonntag in einer Woche die rot-grüne Landesregierung ablösen will, ist mit seinen Gedanken überall – nur nicht vor Ort. Seit Wochen ist klar, dass der Kieler Wahlkampf nicht hier, sondern in Hessen und Berlin entschieden wird. „Ständig gibt es Einschläge“, klagt FDP-Spitzenkandidat.

Zwar bescherte der CDU-Spendensumpf seiner Partei zunächst eine angenehme Nebenwirkung: Ohne eigenes Zutun dürfen die Liberalen, die den Einzug in den Landtag vor vier Jahren mit 5,7 Prozent der Stimmen nur knapp schafften, am 27. Februar mit mehr als neun Prozent rechnen, glaubt man den jüngsten Umfragen. Doch ob das für einen Machtwechsel reicht, ist ungewiss.

Fliegen die Grünen aus dem Landtag, was nicht unwahrscheinlich ist, steigen zwar die Chancen für eine schwarz-gelbe Koalition. Für die betet vor allem CDU-Spitzenkandidat Volker Rühe, würde sie ihn doch vor dem Schicksal des politischen Hinterbänklers retten. Andererseits ist es gut möglich, dass der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), die Partei der dänischen Minderheit im Land, im Falle eines Patts lieber eine sozialdemokratische Minderheitsregierung tolerieren würde.

Das Ziel: Fraktionschef einer regierenden Partei sein

Und das dürfte Kubicki mit allen Mitteln zu verhindern versuchen – der Mann will zwar nach eigenen Angaben keinen Ministerposten, aber „Fraktionschef einer regierenden Partei“ sein. Zusammen mit wem? Gute Frage.

Zu schaffen macht Kubicki derzeit, dass seine Parteifreunde aus Wiesbaden machtversessen an einem CDU-Landesregenten festhalten, der die Öffentlichkeit belügt und gefälschte Rechenschaftsberichte verbreitet. Dann hat er Mühe, auf dem Marktplatz der Kleinstadt Preetz gegenüber potenziellen Wählern glaubhaft zu machen, dass diese Haltung „nicht vertretbar“ sei und er in einer vergleichbaren Situation anders handeln würde. „Ach, wirklich?“, fragt eine Frau skeptisch. Denn auch Kubicki gilt als machthungrig und eitel – nicht nur in der Politik: Zwischen zwei Wahlkampfterminen im strömenden Regen macht sich der Herr im dunklen Anzug erstmal auf, einen Friseur zu suchen, der dem 47-Jährigen die grauen Haare trocken föhnt.

Im Landtag schoss der Abgeordnete Kubicki in den vergangenen acht Jahren verbal gegen alles und jeden – ungeachtet der Parteizugehörigkeit. Den „Möllemann des Nordens“ nennen sie ihn in Kiel. „Ich bin bis an die Beleidigungsgrenze direkt“, sagt Kubicki von sich. Auf die FDP-Wahlplakate ließ er eine englische Bulldogge drucken, Untertitel: „Mach Platz, Heide!“ Mit Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) lasse sich eben kein Politikwechsel herbeiführen. Das gehe derzeit nur mit der CDU. Mit der strebe er ja auch eine Koalition an. Sagt Kubicki morgens.

Wie viel das bedeutet, erfährt man nachmittags. Da sagt Kubicki: „Meine Koalitionsaussage gilt bis zum Wahlabend.“ Was danach kommt? Ein sozialliberales Bündnis? Kubicki grinst. Eine klare Antwort ist von dem Mann nicht zu kriegen. „Er ist ein Meister der Beliebigkeit“, sagen seine Kritiker. Einer, der alles und jeden benutzt, solange es seinem eigenen Vorteil dient. Als in der Nachwendezeit die Schweriner Landesregierung die Mülldeponie Schönberg verkaufen wollte, diente sich Kubicki als Berater an. Für diese Tätigkeit kassierte er 860.000 Mark, hielt es aber nicht für notwendig, seinen Auftraggebern mitzuteilen, dass er mit einem der Deponie-Interessenten in geschäftlichem Kontakt stand. Der Prozess des Landes Mecklenburg-Vorpommern gegen Kubicki läuft bis heute.

„Da ist nix dran“, lacht der FDP-Mann. Dann hält er inne, denkt kurz über die nächste Frage nach. Politische Glaubwürdigkeit? „Das ist keine moralische Kategorie, sondern eine Frage der Konsistenz.“