Formschöne Belladonna

Langoval, frühreif, rotschalig – die 50. Internationale Kartoffelbörse im CCH präsentierte rund hundert Erdapfel-Sorten  ■ Von Silke Langhoff

„Sehr gut – nicht zu voll und von schöner Farbe“ schwärmt der leicht untersetzte Mann. Sein Interesse gilt der langovalen, flachäugigen „Emilia“: einer gelbfleischigen Kartoffel „mit guten Speisequalitäten“. Knapp 100 Sorten des nahrhaften Nachtschattengewächses wurden am Mittwoch auf der Internationalen Kartoffelfrühjahrsbörse im CCH präsentiert. Zum 50sten Mal richtete der Verband der Kartoffelkaufleute Nord die Fachbörse aus, „auf der es keinen DAX oder feindliche Übernahmen gibt“, wie der Präsident des Zentralverbandes Herwig Elgeti betont.

Dafür aber eine Majestät: Eine Kartoffelkönigin, die 26jährige „Edeltraud die I.“, an deren Mundart sich für Elgeti der „internationale Charakter“ der Veranstaltung zeigt: Ihre Hoheit stammt aus Oberbayern. Für Hamburg ist Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) anwesend. Was er in seiner Rede als „unscheinbar und alles andere als edel“ bezeichnet, wird vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter vollmundig beworben. Die frühreife Exampla wirke mit ihrer „beeindruckenden Optik“, Serafina „besticht durch ihre innere und äußere Qualität“ und Belladonna „ist ein Genuss für jedermanns Auge und Gaumen“.

Dass die unförmige Knolle überwiegend mit Frauennamen etikettiert wird, sieht Karl Freidel als „Hommage an die sorgende und schützende Mutter Erde.“ Freidel ist Vorsitzender des Deutschen Kartoffelmuseums in der Pfalz, mit dem der Kartoffel, „die schon so viele Menschen vor dem Hungertod bewahrte“, ein Denkmal gesetzt werden sollte.

Nicht jede Kartoffel landet auf dem Teller. Die so genannte „Stärkekartoffel“ dient nur als Viehfutter oder wird industriell verarbeitet, unter anderem zu Verpackungsmaterial. Das ist offenbar Männersache: Stärkekartoffeln tragen Namen wie „Hercules“, „Sjamero“ oder „Producent“.

Generell aber ist die Kartoffel weiblich, so Experte Elgeti, „und wie jede launische Diva straft sie schlechte Behandlung mit Unwohlsein“. Wie in der jüngsten Saison. Witterungsbedingt ist ein Großteil der Ernte von schlechter Qualität. Das und die vielen Importe drücken auf die Preise – zum Leid der Produzenten und zur Freude der Konsumenten. Im Bundesdurchschnitt liegt der Verbraucherpreis bei 2,15 Mark für den zweieinhalb-Kilo-Beutel, Tendenz stabil. Durchschnittlich rund 40 Kilo frischer Kartoffeln verspeist jedeR Deutsche pro Jahr. Hinzu kommen 30 Kilo in „veredelten Formen“ wie Tiefkühlpuffer, Pulverpüree, Fritten, Crunchies, Pringels, Stickies...

Dabei ist die Kartoffel sicher gesünder als so mancher Schokoriegel: Weder in deutschen Böden noch auf deutschen Märkten, betont Egleti, gebe es eine gentechnisch veränderte Knolle – und daran werde sich auch in Zukunft wegen Akzeptanzmangels wohl nichts ändern.