WMF oder Die Odyssee im Stadtraum

Am Wochenende schließt der legendäre Club seine Pforten. Aber nur, um sich zum fünften Mal an einen neuen Standort zu begeben. An dasNomadentum haben sich die Betreiber schließlich gewöhnt. Wo es hingehen wird, bleibt allerdings noch ein Geheimnis ■ Von Frauke Niemeyer

Das Schlimmste war diese quälende Ungewissheit. „Werden sie ein neues Haus finden? Und wenn ja, wo? Und wann? Und suchen sie überhaupt?“

„Sie“ – das sind Gerriet Schultz, Tom Prilop und Martin Dobbeck, die Betreiber des WMF, das seit 1990 an vier verschiedenen Adressen tanzwütige Clubgänger in seinen Bann gezogen hat. „Zwei bis drei Jahre, das ist der Intervall, in dem ein Club Spaß macht“, sagt Schultz. „Dann ziehen wir wieder um.“ Wohin, das verrät er allerdings nicht. Nur, dass es sich um die Zwischennutzung eines alten Gebäudes handelt.

Die Kündigung des Vermieters vom Johannishof in der Johannisstraße, wo das WMF seit Herbst 1997 residierte, ist also gar keine Katastrophe, sondern einfach der Lauf der Dinge, in perfekter Harmonie zum Rhythmus der Clubbetreiber. „Wir sind eine GmbH und halten geschäftliche Verabredungen ein. Wenn wir den Investor in die Kapitalistenecke stellen würden und das Haus besetzen, das würde außerdem viel zu viel Energie kosten“, gibt sich Schultz ganz unpolitisch. Seine Kraft verwendet er mit seinen Partnern lieber für musikalische Ideen, zum Beispiel die Produktion der ersten WMF-Platte: eine Compilation von House-DJs, die in den letzten zwei Jahren samstags aufgelegt haben. Und dann muss natürlich renoviert werden.

Nach diesem Prinzip haben die WMF-Betreiber auch ihre vergangenen „Spielstätten“ ausgesucht, die erste 1990 im ehemaligen Stammhaus der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) in der Mauerstraße. Als Hausbesetzer gründeten sie dort einen Kunstverein, richteten Ateliers ein und verhinderten mit einer Architekturausstellung den geplanten Abriss des Gebäudes.

1992 führte Ärger mit den Ämtern zur Schließung des Clubs, doch es dauerte nicht lange, bis ein neuer Ort gefunden war: die unterirdischen Toilettenanlagen am Potsdamer Platz. In den 60er-Jahren war die Anlage von der DDR geflutet worden. Während sich der Bund und das Land noch über die Eigentumsverhältnisse stritten, hatten die WMF-Leute schon das Wasser abgepumpt und zur Tarnung einen alten Grenztruppencontainer auf die Kellerlöcher gestellt. Durch den aufgeschlitzten Fußboden stiegen die Gäste nach drei Monaten Renovierung hinab zur ersten Party im neuen WMF. Getanzt wurde im Pissoir.

Nach einem halben Jahr war den Partyveranstaltern schon wieder die Behörde auf den Fersen. Diesmal fand sich nicht so schnell eine neue Bleibe.

Erst 1994 eröffnete das WMF zum dritten Mal, und zwar in der Burgstraße am Hackeschen Markt. Prägendes Einrichtungsstück wurde hier die runde Bar aus dem Palast der Republik. Musikalisch öffnete sich der Club für Techno und House. Nach zwei Jahren wurde das Haus abgerissen, und das WMF zog ins ehemalige Gästehaus des Ministerrats der DDR, den Johannishof.

„Als wir hier angekommen sind, haben wir schon nach der übernächsten Location gesucht. Dieses Nomadenprinzip entwickelt sehr viel Dynamik, ein Umzug reißt die Leute mit. Da verändert sich nicht nur der Ort, sondern auch alles andere“, meint Schultz. Darin eingeschlossen ist auch das Publikum, das in der Burgstraße deutlich jünger und schicker war als im Johannishof.

Hier hat sich das Publikum von mittwochs bis sonntags täglich verändert, zusammen mit der Musik und dem Partymotto. Drum ’n’ Bass-Fans gingen freitags zur „hard edged“-Nacht, die House-Fraktion tanzte samstags zu DJ Dixon und Mitja Prinz. Diese beiden WMF-Legenden werden natürlich neben vielen anderen DJs heute abend hinter den Decks stehen, wenn der Club seinen Abschied feiert. Die Umzugskartons stehen schon auf der Treppe, aber die Tanzfläche ist frei.