Unsicherheit regiert die CDU

Die CSU hat sich durchgesetzt: Über die Schäuble-Nachfolge wird erst nach der Kieler Landtagswahl entschieden. Bis dahin gehen die Kandidaten für den Parteivorsitz in Position. Nur Bernhard Vogel mag nicht dabei sein ■ Von Karin Nink

Berlin (taz) – Der neue Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion wird auf Drängen der Bayern erst am 29. Februar gewählt. Doch Friedrich Merz, der künftige Mann an der Spitze, ist schon längst in die Rolle geschlüpft. Entspannt und kraftvoll attackiert er bei der ersten Lesung der rot-grünen Steuerreform die Pläne der Bundesregierung als „Hilfskonstruktion“. Um direkt danach – schon ganz Fraktionsvorsitzender – der Koalition großzügig anzubieten, zusammen mit der Union einen Kompromiss in der Steuerpolitik zu finden.

Noch-Fraktionschef Wolfgang Schäuble sitzt derweil tapfer auf seinem angestammten Platz, klatscht geistesabwesend, aber pflichtbewusst seinem Nachfolger Beifall und scheint erst in dieser Plenarsitzung endgültig zu realisieren, dass auf seinem Platz bald der junge Merz sitzen wird. Vielleicht denkt Schäuble aber auch darüber nach, wer der oder die beste KandidatIn für den Parteivorsitz sein könnte. Denn so klar die Unionsfraktion sich trotz anfänglichen Widerstands der CSU auf Friedrich Merz als neuen Chef festgelegt hat, so unsicher sind die Christdemokraten bei der Besetzung der Parteispitze.

Am Donnerstagabend hatte das Präsidium sechs Stunden lang getagt. Schnell war klar, dass das Personaltableau höchstens umrissen werden würde. Im Vordergrund standen strategische Überlegungen. Sollte man sich angesichts der prekären Lage der Partei für eine Interimslösung mit Bernhard Vogel oder Kurt Biedenkopf aussprechen? Oder wäre es nicht sinnvoller, auch an der Parteispitze einen deutlichen Schnitt zu machen und eine junge und unverbrauchten Kraft zu nominieren? Die Frage ist offen. Allerorten heißt es in der CDU: „Es ist noch zu früh, von einem Favoriten zu sprechen.“

Die Unsicherheit in der CDU-Führungsetage ist offenbar derart stark, dass ausgerechnet in der sonst stramm patriarchisch geführten Partei die Stimmung der Basis ausschlaggebend sein soll. Zwar besteht nicht die Gefahr, dass die CDU per Mitgliederbefragung den Kandidaten für den Parteivorsitz küren will. Doch soll die Basisstimmung gründlich ausgeforscht werden, bevor die Parteispitze am 20. März die neue Besetzung für den Parteivorsitz vorschlagen will.

Die nun anlaufenden Regionalkonferenzen, die noch unter Schäubles Regie initiiert wurden, um die Basis von der Glaubwürdigkeit der Führungsmannschaft zu überzeugen, sind hierfür eine willkommene Gelegenheit. Sollte Angela Merkel dort das Rennen machen, hat sie Chancen, Parteivorsitzende zu werden. Doch noch gibt es in der Union Vorbehalte gegen die liberale, kinderlose Ostfrau – mag sie sich auch noch so viele Meriten bei der Aufklärung des CDU-Finanzskandals verdient haben. Selbst in dieser Rolle hat sich Merkel für so manchen strammen Christdemokraten zu weit aus dem Fenster gehängt. Musste sie ausgerechnet in der Süddeutschen Zeitung vom Kohlschen „Erpressungspotenzial“ reden, raunt so mancher, dem das an Aufklärung viel zu weit geht. Und dann im Dezember der Artikel in der FAZ, in dem sie für einen klaren Schnitt mit Helmut Kohl plädierte! So was gehört sich bei Christdemokratens halt immer noch nicht.

Heiß gehandelt wurde auch der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel als Übergangsvorsitzender. Doch der ließ nach der Präsidiumssitzung wissen: „Ich habe nicht die Absicht, mich um den Parteivorsitz zu bewerben.“ Die Frage eines Übergangskandidaten stelle sich nicht. Offensichtlich scheint nach der Präsidiumsdebatte die Interimslösung wenig aussichtsreich. „Diese Variante ist schwer zu vermitteln, erst recht wenn sie Vogel heißt“, war denn auch gestern aus den Reihen der CDU-Fraktion mehrfach zu hören.

Was aus Volker Rühe wird, den man, so Schäuble, „nicht vergessen“ darf, hängt im Wesentlichen vom Ausgang der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ab. Erreicht er dort eine Achtungsniederlage, werden auch ihm gute Chancen eingeräumt, Schäuble zu beerben – auch wenn CSU-Chef Edmund Stoiber ihn nicht haben will. Auf jeden Fall aber soll Rühe mit Horst Seehofer Fraktionsvize werden. Das ist ausgemachter Wille der CSU, die in der gemeinsamen Parlamentsgruppe mehr Gewicht haben will.