Wer lachsrosa liest, will gewinnbringend lesen

In der „Financial Times“ fällt unter den Tisch, was nicht dem Geldverdienen nutzt

Eigentlich war’s nur ein Werbegag, doch seit 1893 steht lachsrosafarbenes Zeitungspapier für gediegene Seriösität. Damals hatte Douglas MacRae seine fünf Jahre zuvor gegründete Financial Times (FT) eingefärbt, um sich so von der Konkurrenz abzusetzen. Der Aufstieg zur britischen Nummer eins dauerte zwar noch bis 1945, doch danach startet die FT durch und wird zum Synonym für Wirtschaftszeitungen schlechthin – zumindest in Europa. Nachkriegs-Chefredakteur Gordon Newton baut das reine Börsenblatt zum umfassenden Business-Blatt aus, führt Unternehmensnachrichten, Technologie-Seiten ein. Und schließlich findet auch die Politik einen Platz im Blatt, streng durch die Unternehmerbrille gesehen, versteht sich.

Seit 1979 druckt die FT eine eigene Europa-Ausgabe in Frankfurt am Main und baut sich zur internationalen Wirtschaftszeitung aus. Seit 1998 macht sie mit einer USA-Ausgabe ihrem härtesten Wettbewerber, dem Wall Street Journal, Konkurrenz. 1999 liegt die tägliche Gesamtauflage bei über 400.000 Exemplaren, davon rund 11.000 in Deutschland.

Doch nicht alles ist an der FT eitle Freude und einiges auch journalistisch problematisch: Denn nur „was unseren Lesern nutzt, um Geld zu verdienen“ (FT-Leitmotiv), hat Platz im Blatt, manche Nachrichten fallen so gewollt durch den Ökonomenrost: „Die FT akzeptiert, dass sie in manchen nicht ökonomischen Gebieten (Sport, Krisen in weit entfernten Gebieten der Welt) nicht mit der übrigen Presse konkurrieren kann“, heißt es in der offiziellen Darstellung. Immerhin steht die FT getreu ihrem Motto „No FT . . . No Comment“ für Meinungsfreude in der Wirtschaftswelt, bei der auch Kritiker der herrschenden Weltwirtschaftsordnung zu Wort kommen.

Täglich einen Scoop bringen, der die anderen ärgert

Hierin liegt wohl der deutlichste Unterschied zur deutschen Wirtschaftsberichterstattung, die lange Zeit vor allem auf die Wiedergabe von Bilanzpressekonferenzen abonniert war. Der angelsächsische Journalismus fordert zwar die klare Trennung von reiner Nachricht und Meinung, kennt aber viele Mischformen. Und an eben die müssen sich auch manche der FT-Macher in Deutschland noch gewöhnen. Ebenfalls Neuland: Der investigative Anspruch aus Britannien, der hierzulande den Wochen- und Monatsmagazinen der Branche wie Wirtschaftswoche und Capital vorbehalten war. Schließlich will die FTD täglich „einen Scoop bringen, den kein anderer hat und der die anderen ärgert“ (Chefredakteur Andrew Gowers).

Hauptkonkurrent des neuen Titels ist aber Deutschlands andere tägliche Wirtschaftszeitung: Holtzbrincks Handelsblatt. Und das hat die lange Anlaufzeit der FTD für einen gelungenen Relaunch genutzt, vierzig neue Redakteure eingestellt und durch eine Kooperation mit dem Wall Street Journal seine internationale Kompetenz erhöht. Auch wenn Gowers über die „geliftete alte Dame“ lästert: Während die FTD erst in vier Jahren mit Auflagen von 100.000 Exemplaren rechnet, verkauft sich das Handelsblatt schon heute 170.000-mal.