Merkel gibt sich richtig Rühe

■ Die CDU hat’s schwer: Der Parteivorsitz ist zu vergeben. Bringt Angela Merkel frischen Wind oder sorgt Volker Rühe nach knapp verlorener Landtagswahl für Gleichschritt? Zur Not will man auf die Basis hören

Berlin (taz) – Wenn die CDU es sich aussuchen könnte, wäre der oder die neue Parteivorsitzende eine Mischung zwischen Generalsekretärin Angela Merkel und Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe. Aber das geht eben nicht, so schön es wäre. Die Christdemokraten müssen sich entscheiden. Gibt es einen Neuanfang? Bleibt Kontinuität? Nach den Dramen und Enthüllungen, die die CDU ihren Mitgliedern in den vergangenen Monaten zugemutet hat, will sie diese nicht noch einmal verprellen.

Deswegen soll die Basis bei der Wahl der neuen Führungsspitze ein Wörtchen mitzureden haben. Natürlich denken die unter Kohl stramm auf das patriarchalische Gehorsamkeitsprinzip getrimmten CDUler nicht daran, eine Mitgliederumfrage zu starten. Vielmehr soll bei den nun anstehenden Regionalkonferenzen die Stimmung getestet werden, und das Präsidium hat beschlossen, die Landesverbände bei der Entscheidung einzubeziehen. „Wir können den Landesverbänden keine Entscheidung aufsetzen“, mahnte Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Auch Volker Rühe sagte: „Es darf kein Wort von oben aus Berlin sein, wir müssen gemeinsam mit den Landesverbänden entscheiden.“

Für die zur Zeit hoch gehandelte Angela Merkel sind die Regionalkonferenzen eine große Chance. Sie sammelte durch ihre konsequente Haltung bei der Aufklärung der CDU-Finanzaffäre Punkte bei der Basis. Nach dem jüngsten ZDF-Politbarometer stieg die ehemalige Umweltministerin vom sechsten auf den vierten Platz der beliebtesten Politiker, obwohl die CDU insgesamt mit 29 Prozent (im Vergleich zu 32 im Januar) ein neues Stimmungstief erreichte.

Dennoch gibt es nicht nur bei der Schwesterpartei CSU, sondern auch bei der CDU viele Vorbehalte gegen die sachliche Physikerin: Liberale Ostfrau ohne Kinder entspricht nicht gerade dem Mainstream der rheinisch-katholisch geprägten Partei.

Der konservative Volker Rühe ist keiner, der die verschiedenen Flügel der Partei gut integrieren kann. Doch sollte er als Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein nächste Woche eine Achtungsniederlage erzielen, ist er ein ernst zu nehmender Aspirant für den Posten des Parteichefs.

Viele finden, dass er „in herausragender Position für die Partei tätig sein muss“. Dass er selbst an dem Job sehr interessiert ist, zeigt seine Teilnahme an der Präsidiumssitzung, für die er zwei Wahlkampftermine hat sausen lassen. Als Ex-Generalsekretär und Ex-Minister unter Helmut Kohl steht er allerdings nicht gerade für einen Neuanfang, wie ihn etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Altmaier fordert. Kartin Nink

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