„Elite ist immer da, wo ihr seid“

Mehr Selbstbewusstsein und einen Neubau: Die Wünsche von Hans-Gerd Husung, der es „mutig“ findet, dass er zum neuen Präsidenten der Fachhochschule Hamburg berufen wurde  ■ Von Sandra Wilsdorf

Hans-Gerhard Husung dreht gerade seine zweite Runde im Ikea-Zeitalter. „Das teile ich mit vielen Männern, die in meinem Alter gerade wieder von ihren Familien wegziehen“, sagt der 49-Jährige. Auch Husung ist von Frau und Kindern weg- und in eine kleine Wohnung in der Jarrestadt eingezogen. Aber nur zum Übergang und nur aus beruflichen Gründen. Denn während die Familie noch in Köln lebt, ist Husung seit dem 1. Februar Präsident der Fachhochschule Hamburg (FHH).

Der Historiker, der über das Thema „Protest und Repression 1846 bis 1850“ promoviert hat, tritt die Nachfolge von Professor Rolf Dalheimer an. Der Ingenieur hatte die FHH 25 Jahre lang geleitet. „Als ich in einer Zeitungsannonce die Stelle des Hamburger Fachhochschul-Präsidenten ausgeschrieben sah, dachte ich natürlich, Herr Dalheimer würde wiedergewählt werden. Erst beim genaueren Lesen habe ich gemerkt, dass die Stelle neu zu besetzen ist“, erinnert sich Husung.

Seine Bewerbung war erst eine von vielen, dann nur noch eine von vieren, und im Juni 1999 hat sich das Konzil der FHH schließlich für ihn entschieden. „Als ich 1980 meinen ersten Vortrag an der Hamburger Uni gehalten habe, habe ich nie daran gedacht, dass ich einmal hier leben könnte“, sagt der gebürtige Braunschweiger, der nach dem Studium in seiner Heimatstadt an der Technischen Universität Braunschweig gearbeitet hat. „Da war ich in der Hochschulleitung tätig und habe gemerkt, wie wichtig es ist, dass die gute Arbeit leistet.“ Aber er hat auch erfahren, dass es zwischen Wissenschaft und Verwaltung ein Spannungspotenzial gibt.

Dann ging er wieder in die Forschung und arbeitete als „Research Fellow“ am Deutschen Historischen Institut in London. „Die Dichte der Burberry-Mäntel scheint mir in Hamburg übrigens höher zu sein“, hat er inzwischen beobachtet. In London hätte er seinen Weg beinahe verlassen. „Eine wissenschaftliche Karriere erschien mir damals nicht zukunftsträchtig.“ Und es gab Angebote von der BBC. „Ich hätte Nachrichten sprechen und später vielleicht eigene Sendungen machen können.“ Freunde rieten ab, und da kam auch schon die Vertragsverlängerung am Deutschen Historischen Institut.

Von der Themse zog er an die Isar: Fünf Jahre lang war Husung persönlicher Referent des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft. „Das war eine sehr spannende Zeit.“ Mal saß er neben Helmut Schmidt, mal neben Nobelpreis-Trägern. Aber mit der Amtszeit des Präsidenten endete auch die des Referenten, und so ging Husung 1990 zum Wissenschaftsrat nach Köln. „Da habe ich vor fünf Jahren schon mit dem geplanten Neubau der Hamburger Fachhochschule zu tun gehabt.“ Weil er später nicht mehr das Referat für Hochschulplanung sondern das für Lehre, Studium und wissenschaftlichen Nachwuchs leitete, „habe ich das nicht mehr so verfolgen können, und war deshalb sehr überrascht, dass es mit dem Neubau noch nicht viel weiter gegangen ist“.

Dass die FHH den Neubau braucht, erlebt er jetzt täglich, wenn er in sein Büro im Winterhuder Weg geht und ein Hochschul-Präsident ist, der den ganzen Tag keine Studierenden sieht. In diesem Gebäude sind Hochschulleitung, Verwaltung und Studentensekretariat untergebracht. Studiert wird an acht verschiedenen Standorten in ganz Hamburg. Das schadet der Gemeinschaft: „Uns fehlt ein Identifikationspunkt“, findet Husung.

Das soll nun endlich anders werden. Für den Investor, wegen dessen Abspringen die Planungen so lange gedauert haben, wurde Ersatz gefunden. Und Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) habe versprochen, dass im späten Frühjahr der Grundstein für das neue Gebäude am Berliner Tor gelegt werden soll. Dort wird dann das Zentrum der Fachhochschule sein, die Standorte sollen langfristig von acht auf vier reduziert werden.

Dass sich das Konzil einer Fachhochschule mit naturwissenschaftlich-technischen Schwerpunkten einen Historiker als Präsidenten ausgesucht hat, findet Husung „mutig“. Und auch wieder nicht: „Schließlich zählen die hochschulpolitischen Erfahrungen.“ Er freue sich auf die „spannende Mischung“. Und: „Vieles bei den Ingenieuren ist mir sympathisch.“

Auch sympathisch sind ihm viele der Reform-Ideen, für die seine neue Wissenschaftssenatorin immer wieder eintritt. „Ich finde gut, dass Krista Sager sich dafür einsetzt, dass es ein einheitliches Professorenamt gibt, egal ob jemand an der Universität oder an der Fachhochschule lehrt.“

Auch von den vorgeschlagenen Leistungszulagen auf Zeit hält er viel. Weniger hingegen von der Idee, Professoren befristet einzustellen. „Viele Fachhochschul-Professoren kommen erst nach einer längeren Phase der beruflichen Tätigkeit und mit über 40 an die Hochschule zurück.“ Eine Befristung wäre da weder für den neuen noch für den alten Beruf gut.

Die Diskussion um internationale Studienabschlüsse laufe falsch: „Da wird immer von Amerikanisierung gesprochen, dabei ist es historisch gesehen eher eine Rückkehr zur europäischen Basis.“ Schon vor Jahrhunderten hätte es in Europa einheitliche Magister und Baccalaureus-Abschlüsse gegeben. „Internationalisierung ist in jedem Fall wichtig.“

Private Hochschulen hält Husung für eine „Bereicherung für das System“, den Begriff Elite könne er allerdings bald nicht mehr hören: „Fachhochschulen tun gut daran, ihren Bildungsauftrag ernst zu nehmen.“ Überhaupt rekrutiere die FHH nicht Eliten und verkaufe sie hinterher als solche, „sondern wir bereiten Studenten darauf vor, dass sie Führungselite werden können“. Die sollten ruhig selbstbewusster sein, so nach dem Motto: „Elite ist immer da, wo ihr seid.“