Von Maskenbällen und dem Risiko

■ „Der Grand Prix ist eine Entertainment-Veranstaltung“, oft wiederholt - und doch wahr

Wer gewonnen hat, wer geweint hat, wer wem natürlich gratuliert, niemandem etwas missgönnt und so weiter, das wissen Sie alles, das haben Sie längst überall lesen, sehen, hören müssen. Schließlich gab es einen Andrang von MedienvertreterInnen, der alle Erwartungen des veranstaltenden NDR übertraf, weshalb es auch einigermaßen drunter und drüber ging. Es gab nicht genug Armbänder für die Aftershow-Party im Holiday Inn, und die brauchte, wer auf die Party wollte, auch wenn er oder sie sich vorher angemeldet hatte. Stadthallenordner, Sicherheitskräfte, die gutdraufen Leute von den Medien, alle hatten so ihr Päckchen zu tragen.

Weil sich letztere die Veranstaltung auf vier Fernsehern gewöhnlicher Größe anschauen mussten und lediglich für ein paar Minuten zum Finale in die Halle durften, gerieten einige von ihnen in gewisse Nöte. Etwa der Radioreporter, der seinen Kommentar über Handy live in den Äther einsprach. Vom Willen getrieben, seinen Hörern und Hörerinnen vor den Lautsprechern die brennende Luft zu suggerieren, die er in der Halle vermutete oder zu behaupten beauftragt war, führte er einen skurrilen Tanz auf. Jedes Wort trieb er mit einem Einknicken der Knie heraus, wie ein Getriebener legte er Meter um Meter im Pressezentrum zurück, druckreife Sätze hervorsprudelnd. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn, als er schilderte, wie das Publikum um ihn herum tobte, was garantiert kein leichter Job ist, handelt es sich bei den Umstehenden in Wirklichkeit um einen Haufen sich routiniert langweilender Presseleute. Die gerieten – auf eine Diät aus Saft, Wasser und Cannapees gesetzt und dem Rauchen von Zigaretten hingegeben – erst bei „Knorkator“ in Wallung. Der Radiomensch hatte unterdessen Phantasie genug, sich auch noch die Aufregung der Stars zu imaginieren und seinem Publikum draußen an den Empfangsgeräten sogar den Eindruck zu vermitteln, er stünde direkt an der Garderobe von Stefan Raab. Leider gibt es für sowas keine Preise.

Der Raab wiederum entblödete sich wieder Mal nicht mitzuteilen, er habe ja immerhin riskiert, nicht zu gewinnen, was einerseits erfreulich unbescheiden ist, andererseits auch von einer unerfreulichen Redundanz, zumal es sich um einen der wenigen Sätze des Mannes handelte, der nicht als Witz gemeint war. Eine weitere risikofreudige Person trieb sich später auf der Aftershow-Party herum. Eine Schülerin aus Schleswig im 12. Jahrgang, die irgendwo im Internet zwei Karten für den Grand Prix gewonnen hatte (sie hätte ja auch keine Karten gewinnen können ...). Die hatte ihre zweite Karte gegen einen Backstage-Pass eingetauscht und es inmitten der Hektik tatsächlich geschafft, einigen der Künstler ein Geburtstagsständchen via Telefon für ihre Freundin daheim in Schleswig abzuringen.

Später auf der Party erzählte sie, dass es ihr doch sehr langweilig sei, aber sie müsse die Zeit bis zum ersten Zug noch herumkriegen. Da herrschte im Holiday Inn schon ausgelassene Feierabend-Atmosphäre. Blümchen war vorbeigekommen, jemand fragte, warum Henning Scherf nicht zum Trost von Corinna May angetreten war, und echte Stars zum Ablichten gab es fast keine mehr. Stefan Raab war schon im Parkhotel, und die meisten hatten sich auch schon einigermaßen an den eilig gezapften Bieren schadlos gehalten. Die Masken fielen nach und nach. Was zum Vorschein kam, war nicht in jedem Fall angenehmer als die zuvor zur Schau getragene Vorstellung des eigenen Status.

Nur Lottoking Karl buhlte noch um jede verfügbare Kamera, während sich selbst Fancys TänzerInnen irgendwann nicht mehr photographieren lassen wollten. Vielleicht gab's aber auch einfach nur niemanden mehr, der noch nicht für ein Bild zwischen den beiden Platz genommen hatte. A.S.