Der Fluch der weißen Weste ■ CDU bleibt dem System Diepgen treu

Der Berliner CDU, so scheint es, geht es blendend. Schwarze Konten sind beim Landesverband bislang nicht aufgetaucht, und die 100-Prozent-Berlin-Partei steht zu 90 Prozent hinter ihrem Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen. Da ist die Spendenaffäre mit ein paar markigen Worten in Richtung Bundes-CDU schnell abgehakt. Der Rest, wollen die Christdemokraten von der Spree glauben machen, geht sie nichts mehr an.

Doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Schließlich bestand das „System Kohl“, mit dem die Bundespartei jetzt abrechnet, nicht nur aus Geldkoffern und Schweizer Nummernkonten. Diese Form der kreativen Buchführung war überhaupt nur möglich, weil die Prinzipien demokratischer Transparenz und Kontrolle unter der 25 Jahre währenden Ägide des Patriarchen mehr und mehr in Vergessenheit gerieten.

Und da ist der gebürtige Pankower Diepgen, der seit 17 Jahren an der Spitze der Berliner CDU steht, von den Gepflogenheiten des Oggersheimers gar nicht weit entfernt. Man mag die Philippika des Bürgerrechtlers Günter Nooke, der von den Bündnisgrünen zur CDU wechselte und bei seinen neuen Parteifreunden mangelnde Offenheit und Diskussionskultur beklagt, als fehlende Abgebrühtheit eines Ostdeutschen belächeln – zumal auch SPD und Grüne neuerdings nicht mehr jeden Streit auf offener Bühne austragen.

Doch im Vergleich zur neuen Diskussionskultur in der Bundespartei wirkt das Postengeschacher hinter verschlossenen Türen, das die Berliner CDU in der Woche vor dem Parteitag bis zum Exzess betrieb, schon jetzt reichlich antiquiert. Diepgens Vorbehalte gegen eine Parteivorsitzende Angela Merkel sind da nur konsequent: Der Kurs der Offenheit, den Merkel in der Spendenaffäre praktizierte, geht dem CDU-Landeschef einfach gegen den Strich.

Hat sie die Affäre einmal überstanden, wird die CDU als Ganzes eine andere Partei sein. Dann könnte der Berliner Landesverband, der sich ganz selbstgefällig im Glanz seiner weißen Konten sonnt, schnell alt aussehen: ein Fossil aus grauer Vorzeit. Manch ein Berliner Christdemokrat wird sich dann womöglich wünschen, es wären ein paar schwarze Kassen aufgetaucht. Ralph Bollmann