Jassir Arafat begrüßt einen „großen Freund“

Bundespräsident Johannes Rau besucht die palästinensischen Autonomiegebiete

Bethlehem (taz) – Ein paar vereinzelte schwarzrotgoldene Flaggen kämpfen gegen den Wind, als Palästinenserpräsident Jassir Arafat am Wochenende seinen „großen Freund“ Johannes Rau in Bethlehem willkommen heißt. Es ist die erste Reise eines deutschen Bundespräsidenten in die palästinensischen Autonomiegebiete. Arafat dankt dem Bundespräsidenten für „die europäische Hilfe im Allgemeinen und die deutsche im Besonderen“. Die beiden Politiker sitzen knapp eine Stunde zusammen, um über die aktuelle politische Lage zu beraten. Rau hält beide Seiten im Konflikt dazu an, den „derzeit offenbar eingefrorenen Friedensprozess bald wieder in Gang zu bringen“. Europa sei am Frieden in Nahost interessiert, sagt Rau und bietet deutsche Hilfe an. Dabei meine er „keinen Ersatz für die amerikanische Vermittlerrolle“, aber eine „erweiterte Hilfe“.

Jassir Arafat macht die israelische Seite für den Stillstand bei den Verhandlungen verantwortlich. „Ich erwarte nicht mehr, als dass Israel die Vereinbarungen einhält“, sagt der Palästinenserpräsident. Auf die Frage, ob er an seinem Entschluss festhalte, am 13. September dieses Jahres den Palästinenserstaat auszurufen, antwortet er: „Das ist nicht meine Entscheidung, sondern so wurde es in Scharm al-Scheich vereinbart. Wir haben das Recht, unseren Staat auszurufen.“

Im Anschluss an das Treffen mit Arafat tourt der Bundespräsident durch Bethlehem und besucht die Geburtskirche. Der hohe Gast erregt unter der einheimischen Bevölkerung allerdings kaum Aufsehen. Abgesehen von einigen jungen palästinensischen Christen, mit denen Rau ein paar freundliche Worte wechselt, wartet niemand auf Rau. Die Stadt Bethlehem verleiht ihm, ganz im Zeichen des Jahres 2000, den Bethlehem-Orden 2000.

Konkrete Friedenshilfe leistet der Bundespräsident dann am Sonntagvormittag, als er der Grundsteinlegung für einen Industriepark beiwohnt. Mehrere im Grenzgebiet zwischen Israel und dem künftigen Palästina gelegene Industrieparks sollen langfristig das Problem der hohen Arbeitslosigkeit eindämmen. Am Nachmittag reist Rau weiter nach al-Bireh, wo die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die erste von insgesamt vier geplanten Kläranlagen einweiht. Das von der Bundesrepublik mit 33 Millionen Mark finanzierte Projekt soll die Wassernot in Palästina lindern helfen. Die deutsche Hilfe ist auf Wasser- und Abwasserprojekte konzentriert. So wurden in Bethlehem mit deutschen Geldern neue Abwasserkanäle gelegt. Projektleiter Erwin Schmechel von der GTZ, der seit sieben Jahren die Projekte betreut, hält noch „viele weitere Klärwerke“ für notwendig.

Heute besucht Rau den Gazastreifen, wo er am Morgen einen Kindergarten und eine Schule besichtigen wird. Für den Nachmittag ist der Besuch in einer Blumenplantage in Rafah, unmittelbar an der ägyptischen Grenze, geplant. Anschließend wird der Bundespräsident vom Internationalen Flughafen Jassir Arafat in Gaza seine Reise nach Kairo fortsetzen.

Susanne Knaul