Sind eben Pinscher

Künstler und Intellektuelle streiten in Frankfurt gegen österreichische Regierung

So unterscheiden sich die Mentalitäten der Menschen. Nur 27 Prozent der Österreicher haben Jörg Haider gewählt, sagte gestern der österreichische Journalist Günther Nenning. Das sei immerhin ein Drittel der Bevölkerung, ließ seine Landsfrau, die Schriftstellerin Elfriede Jelinek, ausrichten. Der Große Saal des Frankfurter Schauspielhauses war keineswegs, wie von Intendant Peter Eschberg – auch ein Österreicher – erhofft, rappelvoll. Eschberg hatte Künstler und Intellektuelle zur ersten großen bundesdeutschen Veranstaltung gegen den schwarz-braunen Regierungswechsel im Nachbarland eingeladen.

Auf dem hochkarätig besetzten Podium hatte Nenning am Vormittag als Patriot und Pausenclown changiert. Und seine „unsinnige Lieb“ zu Östereich bekannt, das von den Staatschefs der anderen 14 Länder der Europäischen Union ungerecht behandelt und zum Sündenbock gemacht werde: „Europa braucht nun einmal ein Nazi-Land.“ Damit prallte er auf die geschlossene Phalanx seiner drei Landsleute, des Kabarettisten Werner Schneyder, des Dramatikers Peter Turrini und des Wiener Historikers Oliver Rathkolb.

Während die Österreicher untereinander grantelten, gaben der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit und die Professoren Horst-Eberhard Richter und Oskar Negt bekräftigende Nebenrollen.

Schneyder versuchte sich in einer Analyse der Wählerschaft Haiders, zusammengesetzt aus dem „bräunlichem Humus des Großbürgertums“, Yuppies und frustrierten Sozialdemokraten. Ein Nazi aber sei Haider nicht: „Nazi sein, das erfordert eine Gesinnung, wenngleich eine miese.“ Haider aber habe keine, sei ein Lügner, „begabt, fleißig und listig“. Dass Haider den Nerv der Volksseele treffe, findet auch Turrini. Alle Österreicher seien „Pinscher, die gerne Schäferhunde werden wollen“.

Darüber, dass es nichts nütze, Haider nur zu vertreufeln und Österreich zu isolieren, waren sich alle Diskutanten trotz gradueller Differenzen schlussendlich einig. Cohn-Bendit setzte darauf, „den gnadenlosen Opportunisten“ Haider immer wieder mit seinen Lügen zu konfrontieren. Turrini dagegen sah diesen Handlungsspielraum pessimistisch, denn niemand höre zu: „Ein neuer Böser ist gefragt. Dagegen ist kein Kraut der Vernunft gewachsen.“ Der Redetext von Elfriede Jelinek, die wegen Krankheit abgesagt hatte, wurde verlesen und klang gallebitter. Ihr Land habe sich mit Haider auf die Seite „der Sieger, der Gewinner“ geschlagen und damit die eigene NS-Geschichte entsorgt: „Er hat seine Chance verdient, der Führer. Schon lange.“

Heide Platen, Frankfurt/M.