Die Kunst, ein Ei zu kochen

Karens KochKunst - die Serie der taz hamburg. Teil 34: Mit Know-How, Uhr und Gefühl  ■ Von Karen Schulz

„Das Ei ist hart“ ist nicht nur einer von Loriots besten Sketchen, sondern wiederholter Anlass häuslicher Streitereien – schließlich haben die meisten Menschen eine klare Vorstellung davon, welche Konsistenz ihr Frühstücksei aufweisen möge. Vielleicht sollte Loriots Knollenfrau die morgendliche Ei-Zubereitung ihrem Mann überlassen, anstatt sich Tag für Tag zu rechtfertigen. Dieser würde bald merken, dass auch das Eierkochen Know-how erfordert – und bei der theoretischen Betrachtung der Garvorgänge im Ei entdecken, dass es gar nicht falsch sein muss, dabei das eigene Gefühl zu befragen.

Gibt man ein rohes Ei in kochendes Wasser, gerinnt zunächst das Eiweiß: Die im flüssigen Eiklar knäuelförmig verteilten Proteine entrollen sich durch die Hitze nach und nach und bilden erst lose Ketten, dann ein festes Netz – das Eiweiß wird undurchsichtig und fest. Dieser Prozess absorbiert die von außen zugeführte Energie, so dass die Temperatur vorerst bei ca. 60 Grad konstant bleibt – das innen liegende Eigelb bleibt zunächst flüssig, weil seine Gerinnungstemperatur höher liegt als beim Eiweiß. Daher kommt das klassische Dreiminutenei mit fast durchgängig festem Eiweiß und flüssigem Zentrum daher. Der Übergang zum geronnenen Eigelb voll-zieht sich dann recht schnell. Ist aber ein länger als 3 Minuten gekochtes Frühstücks- ei noch zu weich (oder bereits zu hart), muss das nicht am Gefühl liegen: Kommt das rohe Ei aus dem Kühlschrank, ist es besonders groß oder klein oder kocht das Wasser nach dem Zufügen des Eis kurzzeitig nicht, kann auch mit der Uhr der Zeitpunkt, an dem das Eigelb gerinnt, nicht exakt bestimmt werden.

Hier hilft leider einzig die Trial- and-Error-Methode, um sich dem perfekten Ei anzunähern. Eine genaue Eieruhr ist dabei hilfreich, eben- so sollte man mög- lichst mit Eiern der immer gleichen Größe experimen- tieren. Und wer merkt, dass die eigene innere Uhr exakt tickt, kann das Ei nach einigen Jahren Übung womöglich doch nach Gefühl kochen. Wer sich jetzt als beken- nender Fan von hart- gekochten Eiern beruhigt zurücklehnt, sollte deren Herstellung nicht lax nehmen. Auch hier sind unerwünschte Ergebnisse möglich, wenn beispiels- weise das Ei zu lange gart: Dann wird aus den Proteinen des Eiweiß Schwefelwas- serstoff freigesetzt, der das Eigelb grünlich färbt und unangenehm riecht. Wirklich hart gekocht ist ein Ei, das zehn Minuten in sie- dendem Wasser verbringt. Damit beim kurzen wie langen Kochen kein Eiweiß aus dem Ei austritt und Wasser in die Schale eindringen kann, piekst man das Ei meist vorher mit einer Nadel an. Es soll tatsächlich ZeitgenossInnen geben, die das noch nicht wissen. Profis hingegen investieren in einen richtigen, industriell gefertigten Eierstecher. Steht ein solcher oder eine Nadel nicht zur Verfügung, kann man sich auch mit Salz oder Essig behelfen: Gibt man diese ins Kochwasser, wird austretendes Eiweiß sofort zum Gerinnen gebracht.

Und wer hartgekochte neben rohen Eiern im Kühlschrank lagert, kann diesen Fehler mit einem kleinen Experiment wiedergut- machen, ohne alle Eier einmal anzu- knacken: Liegend zum Rotieren ge- bracht, bewegt sich das harte Ei gleich- mäßig schnell, während ein rohes Ei langsam und träge trudelt.

Wer sich für das Wirken in der heimi- schen Küche naturwissenschaftlichen Rat holen möchte, findet zu vielen gängigen Gerichten Hilfe in dem Buch von Hervé This-Benckhard: Rätsel der Kochkunst. Ders.: Kulinarische Geheimnisse. (242 bzw. 333 S., Springer, je 39,80 Mark)