Phil Collins für Abiturienten

■ Sting lieferte in der Stadthalle ein unspektakulär-solides Konzert

Der schönste Moment für die überdurchschnittlich vielen Frauen im Publikum war wohl schon nach dem ersten Song gekommen. Denn da zog Sting sein Jackett aus, und für den Rest des Konzerts konnte frau seine schönen, muskulösen Oberarme bewundern. Vor einigen Jahren konnte man ihn noch bedauern, denn er war der Erste von den alten Rockrecken, der zugab, von all dem Gedröhn mit einem permanenten Hörschaden geplagt zu sein. Aber jetzt sieht er so gesund und sexy aus, dass man das schnell wieder vergisst. Und er spielte sich am Sonntagabend in der erstaunlich vollen Stadthalle auch so traumhaft sicher durch sein Repertoire, dass er selber offensichtlich auch gar nicht mehr hinhören musste.

Abgeklärt ist wohl das Adjekiv, das seine Vorstellung am besten trifft. Sting hat es nicht mehr nötig, sich mit großen Gesten in Szene zu setzten. Seinen berühmten großen Hopser auf der Bühne zum Schlussakkord führte er nur einmal bei „Roxanne“ vor, und da sprang er auch eher als Zitat als mit vollem Körpereinsatz. Schnörkellos präsentierte er einen Song nach dem nächsten, die Intros setzten jeweils schon in den Applaus hinein ein, und auch für barocke Jazzverzierungen, die er sich noch mit seinen eigenen Bands in den 80er Jahren leistete, ist inzwischen kein Platz mehr. Der Mann weiß, dass die Songs und die Stimme seine Stärken sind, und dementsprechend hat er auch seinen Auftritt konstruiert.

Dabei fällt auf, dass die neuen Stücke längst nicht mehr so gut sind wie das frühe Material, und wenn Sting zwei Stücke aus seiner letzten CD nacheinander sang, machte sich gleich gepflegte Langeweile breit. Sting ist inzwischen der Phil Collins für Abiturienten: So kann er noch Jahrzehnte weitermachen, aber einen Song von der Durchschlagkraft von „Every Breath You Take“ oder „Moon over Bourbon Street“ kommt wohl nie mehr aus seiner Feder.

Das weißer wohl auch selbst, und so spickte er sein Konzert geschickt mit seinen Klassikern. Sein größter Ehrgeiz scheint inzwischen darin zu liegen, die alten Songs immer wieder anders zu interpretieren. Die Band war sehr gut eingespielt, und mit dem jungen britischen Trompeter Chris Botti hat Sting seinen Sound um eine neue Klangfarbe erweitert. Die Akkustik war makellos, und selten war das Gedränge vor einer Konzertbühne so kultiviert wie bei diesem Konzert. Solides Handwerk auf der ganzen Linie also: ein gut zwei Stunden langer Set, bei dem mindestens jedes dritte Lied ein Klassiker der Popmusik ist, gespielt von einem Musiker, der genau weiß, wofür das Publikum gezahlt hat. Und dazu gehört halt auch, dass er das Jackett auszieht, selbst wenn er auf der Bühne kaum noch ins Schwitzen kommt. Wilfried Hippen