Auf dem Oberkörper trommeln

Experiment mit Lehrauftrag: Vinko Globokars „Laboratorium“ eröffnete die Veranstaltungsreihe „Open Your Ears“ im Konzerthaus

Unter einer Komponistenwerkstatt kann man sich etwas vorstellen. Da fallen musikalische Späne, da wird an Themen gehobelt und am Werk geschliffen. Blasser hingegen bleibt das Bild des musikalischen Labors: ein Ort des Experiments, an dem mit dem unterschiedlichstem Material gespielt und gearbeitet wird. Der Gestus des Experiments avancierte erst im 20. Jahrhundert zu einer festen musikalischen Größe, zu der auch bald eine eigene Rhetorik gehörte.

Mit den 55 kurzen Stücken seines „Laboratoriums“ (1973–85) oblag es Vinko Globokar, das Experiment erstmals auch in einem Konzertsaal live vorzustellen. Wie klingen Instrumente unter Wasser? Kann man die Vokalreihe der menschlichen Sprache perkussiv nachahmen? Solche Fragen behandelte der französische Komponist in „Laboratorium“ systematisch.

Am Sonntagnachmittag eröffnete das Konzerthaus am Gendarmenmarkt seine Veranstaltungsreihe „Open Your Ears“ mit einem Querschnitt durch Globokars Labor. Zwar folgt dem Startschuss zunächst eine lange Pause. Weitere Beiträge zur Veranstaltungsreihe sind erst für die kommende Spielzeit geplant. Aber das erste Konzert glich einer Grundsatzerklärung mit dem Auftrag, zeitgenössische Musik einem jugendlichem Publikum nahe zu bringen.

Was Globokar in „Laboratorium“ vorführt, ist manchmal lustig, etwa wenn der Schlagzeuger (Jean-Pierre Drouet) seinen Oberkörper mit gespieltem Staunen abklopft. Dann ist es verblüffend, wenn die Musiker ihre Instrumente nach und nach zerlegen und der Posaunist (Vinko Globokar) schließlich auf dem nackten Bügel seines Instruments spielt. Globokars Stücke sind aber auch lehrreich.

Und es ist dieser pädagogische Aspekt, den man im Konzerthaus strapazierte. Der Musikwissenschaftler Habakuk Traber gab sich in seiner Einführung noch zurückhaltend. Aber schon die Vergrößerung der Aktionen auf einer Riesenleinwand war zum einen visueller Beistand, verströmte zum anderen aber den Flair von Schulfernsehen: mit einem nicht autoritären, aber doch immer belehrenden Zeigefinger. Die Mätzchen und Einfälle fanden jedoch reichlich Aufmerksamkeit.

Der Blick für die gestalterische Kraft Globokars ging hingegen verloren. Erst im letzten Stück, der „Modulation naturelle“, kam die Inszenierung zur Ruhe. Globokar entfaltete hier eine dichte und bewegliche Improvisation, in der nach und nach die „Internationale“ als Thema an die klingende Oberfläche drang und der politische Kontext des Werkkomplexes endlich greifbar wurde.

Und während sich die Ältesten im Publikum noch eine Träne politischer Sentimentalität aus den Augenwinkeln wischten, ernteten die Musiker den verdienten Applaus: von einem jungen Publikum, das zwar nicht begeistert war, die Aufführung aber immerhin zurückhaltend zu würdigen verstand. Björn Gottstein