Der Koran klopft an die Schultür

■ Bundesverwaltungsgericht entscheidet darüber, ob die Islamische Föderation künftig Religionsunterricht anbieten darf. Organisation wird vom Verfassungschutz überprüft

Am Mittwoch steht vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung mit weitreichender Bedeutung an. Das Gericht verhandelt darüber, ob die Islamische Föderation an Berliner Schulen zukünftig bekennenden Religionsunterricht geben darf. Entscheidend dafür ist, ob die Islamische Föderation nach Auffassung des Gerichts eine Religionsgemeinschaft ist. Weil damit definiert wird, was eine Religionsgemeinschaft ausmacht, ist das Urteil bundesweit bedeutsam. An ihm können sich dann auch andere religiöse Gruppen orientieren, die Unterricht erteilen wollen.

Die Islamische Föderation ist eine umstrittene Organisation, weil sie personell eng mit dem islamistischen Verein Milli Görus e.V. verbunden ist (siehe taz vom 21.2.00). Beide wollen eine systematische Islamisierung in Deutschland vorantreiben. Die Islamische Föderation hat neun Mitgliedsvereine, die Moscheen unterhalten. Der Präsident der Islamischen Föderation, Nail Dural, der gleichzeitig für alle Milli-Görus-Abteilungen in Berlin zuständig ist, bekundete kürzlich: „In den Bezirken, in denen keine Moscheen gebaut werden, sagen die Eltern, dass ihre Kinder verloren sind.“ Seit einigen Wochen ist die Islamische Föderation wie Milli Görus Beobachtungsobjekt des Verfassungschutz.

Das morgige Urteil hat eine lange Vorgeschichte: Seit 1980 versucht die Islamische Föderation eine Erlaubnis für den Unterricht zu bekommen. 1987 lehnte das Verwaltungsgericht dies ab, weil ihrer Ansicht nach die Organisation nicht die Kriterien einer Religionsgemeinschaft – ein erkennbarer Zusammenschluss und ein religiöser Konsens – erfülle. Die Glaubensgrundlage sei zu allgemein gefasst, es gebe keine ausreichende Organisationstruktur.

Die Föderation zog vor das Oberverwaltungsgerichts (OVG) und gewann: Das Gericht sprach im November 1998 de facto das Recht auf Unterricht zu, weil die Organisation die Kriterien einer Religionsgemeinschaft sehr wohl erfülle. Die Islamische Föderation beruhe auf einem religiösen Konsens, man könne nicht verlangen, sich auf eine bestimmte Glaubensrichtung innerhalb des Islams festzulegen.

Das OVG-Urteil löste Panik bei der Schulverwaltung aus, die sich jahrelang nicht für die religiösen Belange der rund muslimischen 32.000 SchülerInnen interessiert hatte. Sie zog vor das Bundesverwaltungsgericht. Der Verfassungsrechtler an der Humboldt-Universität und Autor („Der Vorleser“) Bernhard Schlink vertritt die Schulverwaltung vor Gericht. Neue Tatsachen und Beweise werden dort nicht verhandelt, die Verflechtung mit Milli Görus und die Beobachtung vom Verfassungsschutz spielen keine Rolle.

Die Islamische Föderation sagte gegenüber der taz, dass sie sich im Falle eines positiven Ausgangs „schnellstmöglichst mit der Schulverwaltung hinsetzen und über Modalitäten reden werde“, so ihr Verwaltungsratsvorsitzender, Burhan Kesici. Einen Zeitpunkt, wann die Föderation bereit sei, den Unterricht anzubieten, konnte er nicht nennen. Die Überlegungen der Schulverwaltung, Religionsunterricht zum Pflichtfach zu machen, werden im Zeitplan ebenfalls eine Rolle spielen. An wie vielen Schulen die Föderation unterrichten wird, sei noch unklar. Ein Rahmenplan sei aber bereits erarbeitet. Mit diesem solle der Glauben vermittelt, der Dialog zwischen Christen und Muslimen vorangebracht und der Alltag thematisiert werden, so die vage Auskunft. Die Schulverwaltung muss bei einem Erfolg rund 90 Prozent der Kosten für die Lehrer und die Räumlichkeiten stellen.

Der Türkische Bund forderte gestern den Senat auf, dass dieser endlich einen nicht bekennenden Islamkunde-Unterricht an den Schulen etablieren solle. Der Verband lehnt Religionsunterricht der Islamischen Föderation ab, weil es sich um eine „politische Organisation“ handle. Julia Naumann