Der Spice Boy und sein Baby

Das Neueste von Englands beliebtester Soap Opera: David Beckham bleibt beim kranken Kind, Manchester Uniteds Trainer Ferguson wirft ihn aus dem Team ■ Von Ronald Reng

London (taz) – Der alte Haartrockner funktioniert doch noch. David Beckham hatte zwar die berühmten blondierten Haare unter einer weißen Wollmütze versteckt, aber er wird nun nachvollziehen können, warum Sir Alex Ferguson, Trainer von Manchester United, in seinen Anfangsjahren den Spitznamen „Haartrockner“ bekam: Seinen Atem, heiß und windig wie ein Fön, brüllte er den Fußballern öfters aus nächster Nähe ins Gesicht. Am Samstag auf dem Trainingsgelände nahe Carrington bekam sein Mittelfeldspieler Beckham die volle Brise ab.

Wo er tags zuvor gewesen sei und er könne gleich wieder nach Hause gehen, schrie Ferguson. Beckham, mehr schockiert als wütend, trollte sich ohne große Widerrede. Der Vize-Weltfußballer des Jahres 1999 war am Freitag nicht zum Training erschienen, um bei seinem plötzlich von Fieber gepackten einjährigen Sohn zu bleiben. Am Sonntag, beim Spitzenspiel der englischen Meisterschaft zwischen Leeds und Manchester (0:1), war Beckham dann nur ein Gesicht unter 40.000: Ferguson hatte den Spieler aus disziplinarischen Gründen zum Zuschauer degradiert.

Die Folge war, dass, während in Leeds die beiden besten Mannschaften des Landes gegeneinander spielten, die Fotografen mit dem Rücken zum Spielfeld saßen, um diesen Zuschauer mit tief ins Gesicht gezogener Baseballmütze ins Bild zu kriegen. Radio- und Fernsehsender wiederholten die Meldung von Beckhams Ausschluss halbstündig. Die Boulevardpresse hatte einen großen Tag. Der Daily Express fragte: „Ist dies das Ende von Beckham?“ Als wäre es ein politischer Skandal, wurden „enge Freunde von Ferguson“ und „Beckham nahe stehende Quellen“ zitiert. Beckham selbst, der gestern mit der englischen Nationalelf für das Länderspiel gegen Argentinien trainierte, sagte nur zwei Worte: „Kein Kommentar“. Ferguson teilte mit: „Ich habe eine Mannschaft aufgestellt, und er war nicht drinnen.“

Solche Schweigsamkeit heizt die Spekulationen erst recht an. Dabei etablierte sich in der öffentlichen Meinung sofort die Version, Beckham – dieser Bengel, der sowieso mehr mit seiner Ehefrau, der Popsängerin Victoria alias Posh Spice, auf Partys rumhänge als auf dem Fußballplatz – habe das Training geschwänzt, und Ferguson endlich dazwischenschlagen müssen. Jetzt werde der beleidigte Beckham sicher United verlassen.

Um mit den Vereinswechsel-Geschichten anzufangen: Beckham hat kein Interesse, United zu verlassen. Es ist das Team, für das er als Junge immer spielen wollte, und heute, mit 24, hegt er noch immer eine geradezu kindliche Anhänglichkeit an den Verein. Gerade weil Ferguson um Beckhams Loyalität zu United weiß, ist ihm die Strafaktion vermutlich leichter gefallen: Er war sicher, dass er den derzeit besten Flankengeber des Fußballs damit nicht auf ewig verprellen würde. Dass die Schuld für den Konflikt automatisch bei Beckham gesucht wird, ist bei seinem schlechtem Image verständlich, doch die Tatsachen ergeben ein anderes Bild: Er hat das Training nicht geschwänzt. Beckham, der in seinen neun Jahren bei United wohl nicht mehr als fünf Trainingseinheiten aus privaten Gründe verpasste, rief am Freitagmorgen Fergusons Assistenten Steve McClaren an, um sich für den Arbeitstag zu entschuldigen. McClaren ließ ihn im Glauben, das gehe in Ordnung. Dass Beckham nicht Ferguson direkt anrief, mag ein Fehler gewesen sein, erscheint angesichts der Schroffheit des Trainers aber verständlich.

Ferguson, sichtlich zufrieden mit seiner Disziplinarmaßnahme, deutete an, Beckham könne schon am Samstag gegen den FC Wimbledon wieder im Team sein: „Er hat ganz gute Chancen zu spielen, mit Roy Keane und Paul Scholes sind nämlich zwei Mittelfeldspieler gesperrt“, sagte er und versuchte, dabei gelassen zu klingen.

Übrigens vergrößerte Tabellenführer United mit dem 1:0-Sieg in einem sehenswerten Spiel den Abstand zu Verfolger Leeds auf sechs Punkte. Ein Meilenstein in Richtung Meisterschaftsgewinn. Das nur so nebenbei – irgendwie hatte man den Eindruck, dies wurde am Wochenende nicht so richtig zur Kenntnis genommen.